Der Text LEICHTE REISEN VON
EINEM ENDE DER ERDE basiert auf der Annahme, daß wir generell
nur ausschnittweise erfassen, immer aber agieren müssen, als stünden
uns alle nötigen Entscheidungkriterien zur Verfügung, die
prinzipiell ja das Wissen um alle Zusammenhänge der Welt umfassen
müßten.
Gesprochene Sprache aus
Jerry Cotton-Heftchen, Interviews, Gesprächen, aber auch Satzteile
aus Reisebroschüren und sogenannter hoher Literatur liegen dem
Text zugrunde, der als eine Art Verarbeitungsmaschine Verbindungen zwischen
den heterogenen Teilen aufbaut, wie wir das ununterbrochen auch mit
unseren Wahrnehmungen zu tun gewohnt sind.Natürlich
wären unendlich viele solcher Verbindungen möglich, auch mit
dem hier angewandten Grundsatz, gewohnte Verläufe von Stories,
gewohnte Modi der Erstellung von Ganzheiten zu stören bzw. bewußt
den Vervollständigungsmechanismus der Lesenden anzustacheln und
ins Absurde zu treiben.Immer
geht es um die Nichtbewältigbarkeit simultan bestehender Ordnungen.
Das Problem der Simultaneität
veschiedener Verknüpfungsmöglichkeiten bestimmt den Text insofern,
als durch Sätze, die beispielsweise am Knotenpunkt der Verschränkungen
von Wortfeldern bzw. einer doppeldeutigen Fortführung durch die
Kappung gewohnter Sprachfloskeln in der Vorstellung "kippen", möglichst
immer mindestens zwei Stories präsent gehalten werden sollen, welche
Satz für Satz interferieren und im besten Fall Tragik und Komik
zu erzeugen imstande sein sollen.
Literatur im Kunstradio ist
daher für mich auch die Möglichkeit, den Text in seiner Tendenz
zur Simultaneität zu verdoppeln: Die Ursprungstexte, die im Buch
in Langversionen verarbeitet worden sind, sodaß aus einer Wissen
um Regeln suggerierenden Sprache Erzähltes geworden ist - können
hier in ihrer extremen Zerdehnung simultan zu diesen hörbar gemacht
werden. Während diese Zerdehnung (bzw. aus der anderen Warte: Stauchung)
im Text jedoch eine räumliche ist, wird sie hier akustische Konsequenzen
zeitigen. Hintergrund (Ursprungstext) und Vordergrund (Langtext) können
als solche hörbar gemacht und verräumlicht werden (durch verschieden
Hallgebungen beispielsweise). Eine extreme Dehnung kann durch Wiederholung
einzelner Wörter und Ausdruckssilben (Ei, EiS Z-Z-Z) oder aber
durch Verlangsamung und Absinken der Stimme (wenn möglich natürlich
auch transponierend) bis zur absoluten Unverständlichkeit und/oder
Rhythmisierung führen. Umgekehrt kann der engmaschigere Text gestaucht
werden.
Da der Text aufgrund des verwendeten
Fremdmaterials grundsätzlich verschiedenste Redeweisen beinhaltet,
hoffe ich auch, hier eine Leseversion realisieren zu können, die
ohne Bearbeitung im Studio für mich nicht zu bewerkstelligen ist:
Mithilfe von verschiedenen Hallgebungen sollten verschiedene Räume
(aus denen die Sprachteile ja stammen), ansonsten aber wenn möglich
auch extreme Übersteigerungen vor allem die Geschwindigkeit betreffend
erzeugt werden. Wenn möglich würde ich gerne einzelne Stimmen
entweder durch Filter oder aber durch andere Verfremdungen als solche
herausheben. Dafür werden natürlich schon in der Aufnahme
Satzmelodie und Sprechgeschwindigkeit mitzudenken sein.