ausgebrannt kommt kälte / mit der wurzel nach oben / bohrt in den raum / ein pflänzchen grünes / bildgewaltige freude / als unterhaltungsprogramm / kein anlaß zum sprechen / graues legt an / schlagartig unbekümmert / ein windchen im schatten / kennung unbekannt / schweigen wird mächtig / entsperrt den gehörgang / ein rhythmus an vielen stellen / das fernhin treffende / wieder innigkeit / stimmigkeit / tanzende punkte / über ascheflöten
(.aufzeichnensysteme IM GRÜNEN)
Atem spielt (s)eine Rolle, namentlich Luft, Dampf - das Hochfahren, Dahinplätschern und Abklingen einer Art Hypersensitivität* zeichnet sich akustisch ab, schwingt dramatisch-lakonisch das narrative Kostüm des Hörstücks, dessen Struktur und Rhythmus bestimmt ist von Textkompositionen, prägnanten Kürzungen aus dem Buch IM GRÜNEN .aufzeichnensysteme von Hanne Römer (Ritter Verlag 2017), stakkatierend, monologisch-monoton auf die Fakten seiner poetischen Tektonik fokussiert.
Inhaltlich verarbeitetet das Stück eine Lebensform als literarische Form, die, mit immer neuen, momentanen Bedingungen gewählter ungesicherter Existenz konfrontiert, ihr Wachstum in sprachlichen Neusetzungen fortsetzt, im Widerspruch eines Schwebezustands Wurzeln treibt, in die LUFT gesetzt Stabilität gewinnt. Lebens- und Arbeitsrealitäten erscheinen in literarischer Verfremdung als entstellte Wahrnehmungsfragmente, formal im seit 2007 verfolgten, poetischen Konzept des Kurzen / Kürzens / Wegschneidens / Komprimierens, das für die akustische Dramaturgie des Hörstücks bestimmend ist. Folgerichtig schneidet Konrad Behr der Autorin den Atem „heraus“ und neu zusammen, setzt in den sogenannten 5-minütigen Säulen seine akustischen Interpretationen, setzen sich Tonmontagen von Hanne Römer wieder dagegen, konterkarieren Fragemente einen akustischen Dialog...
*Hypersensitivität Begriff (1997) von Elaine Aron
Mehr zum Hörstück:
Die mediale Transformation ist ein konstantes künstlerisches Thema der .aufzeichnensysteme, die als definierter Zusammenhang von Schreiben, Zeichnen, Sehen, Hören, materiell-technischem Aufzeichnen und leiblichem Wahrnehmen sowohl medial- leibliches Konzept als auch Autorenschaft von Hanne Römer ist. Das Gehör / Gehörtes als literarischer Aspekt in seismograph. ein aufzeichnen-system (edition ch 2007) akustisch umgesetzt in Nachtbilder Ö1. Das Text-Ton-Zeichnung-Projekt soundrawing / 2007; schrei zum hummel. eine art buch (Klever / 2013) in umgekehrter Umsetzung des gleichnamigen Literatur-als-Radiokunst-Hörstück 2010
Entstanden durch das Prinzip des Kürzens dramatisiert das 2017 erschienene Textkunstwerk .aufzeichnensysteme IM GRÜNEN u.a. sein eigenes Erscheinen und Verschwinden. „IM GRÜNEN versammelt Serien von zweizeiligen poetischen Gebilden, die aus einem de/konstruktiven Verfahren gewonnen werden (...). Destilliert aus umfangreichen von .aufzeichnensysteme hergestellten (journalartigen) Prosatexten wurde das Material nach seiner Eignung ausgewählt, Potential als Projektionsfläche zu entfalten.“ (Paul Pechmann / Lektor Ritter Verlag)
Das seit 2018 in Arbeit befindliche Hörkunstwerk verstärkt diese Ambivalenz der rezeptiven Poetik des Textes z.B. in Form eines einzigen Zusammenschnittes (Kulmination / Einsaugen) des gesammelten Atems der gesprochenen Texte. Darüberhinaus inszeniert es die textliche Struktur als akustische Choreographie. Die markante Tektonik des Textes erhält eine deutliche Wiedergabe in vier jeweils 5-minütigen Säulen, die DATUM / ZEIT / WASSER / LUFT thematisch verdichten und zugleich experimentelle Zwischenebenen ausbilden, welche in Form einer medialen Selbst-Verdauung Fieldrecordings und die den Lese-Stimme-Körper durchlaufenen, zu Sound zermalenen, Text mischen und vorführen.
Auf einer übergreifenden zeitlichen Ebene doziert der Dialog zweier Unbekannter (20 Koans) in kontinuierlicher Anspielungen auf eine dreifache akustische Funktion und Bedeutung des Körpers als Gehör, Gehörtes und als Hörendes. Die auf das Hören zugespitzten Textkondensate betreten folgerichtig im Hörstück ihren medialen Bestimmungsort in einer noch unbekannten Rolle für das Ohr allein.
Natur in Anführungsstrichen
Aufzeichnensysteme reflektieren Aufzeichnensysteme, inszenieren subjektive Wirklichkeit von Erinnerung und Erfahrung, setzen körperlich-akustische (Gehör / Ohr) und technisch- akustische (Aufnahmegerät) Aufzeichnung, „Natur“ und künstlerische Aufnahme in Beziehung. Verstärkt durch seine technische Montage scheint das Knacken eines Zweiges das Tastengeräusch einer Schreibmaschine zu simulieren. Das Vertrauen in die Bewegung im Raum wird verunsichert, die Verunsicherung vorgeführt, vorgespielt...
Die .aufzeichnensysteme bezeichnen wie im Buch so auch im Hörstück gleichzeitig die Rolle des leiblichen Wahrnehmunssystems als auch ihrer künstlerischen Form, welche in ihrer Zurücknahme (Reduktion) Lücken (Raum) läßt für die Rezeption.
Das Thema Natur wird gemäß dem Textkunstwerk im Hörkunstwerk zur poetisch- hermetischen Anspielung auf den Körper und verfolgt die Diskrepanz von Innen und Außen, eine andauernde Zerreißprobe, ein Dazwischen und Weiterspringen von Textmodul zu Textmodul über die Lücken hinweg, Bedeutung, die sich kurz aufwirft und wieder verliert, umgesetzt in auditive Bilder, die aufsteigen und vergehen, sich einer Zuschreibung entziehen, innen bleiben, unzerstört, ungeknackt, ganz i.S. von heil als in sich geschlossenes und gerade deshalb unerschöpfliches, lebendiges Potential: „gehäuse bei nacht / im kern steckt die ausführung / rücknahme bringt sie in form / fest verschlossen bleibt die nuss / setzt sich aus dem raum / die hälfte hält doppelt“. Was sich einer fortwährenden Ver/Äusserung verweigert, bleibt bei sich, uneinnehmbar, Hören allein.
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