*CAN THE INTERNET
MAINTAIN ITS ROLE AS A "DIRECT" MEDIUM?*
Ivan
Ivanji,
Writer, Belgrade/Vienna
<mp3>
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“...Ich kann nur sagen was meine Meinung ist, ohne sicher zu sein,
das ich recht habe. Ich glaube, dass Milosovic Jahre lang die öffentliche
Meinung unterschätzt hat - vielleicht zu recht. Während
der klassische Kommunismus, worunter ich nicht “Titos Jugoslawien”
verstehe, so überaus empfindlich war auf alles was man sagt und
alles unter Kontrolle halten wollte, haben wir doch schon zu Titos
Zeiten gelernt, dass das nicht so furchtbar ernst zu nehmen ist. Und
tatsächlich hat diese Oligarchie, die unter Milosovic an der
Macht ist (und die ich immer eine Kleptogarchie nenne, weil eigentlich
in Europa ein solches Herrschaftssystem bisher nicht vorhanden war
meines Wissens nach), ganz gut existiert - trotz einer oppositionellen
öffentlichen Meinung, die den Machthabern überhaupt nicht
geschadet hat.
So hatte “Milosovic-land”, um dieses Jugoslawien was übrig geblieben
ist so zu nennen, tatsächlich bis vor kurzem eine große Anzahl
oppositioneller Zeitungen gehabt, die wenige Menschen gelesen habe
und sogar oppositionelle elektronische Medien, die viele Leute gehört
haben, aber auf die sie nicht reagiert haben. Erst die Kommunalwahlen
1996/97 haben dazu geführt, dass die Leute auf die Straßen gingen,
um ihre Meinung, die sie durch die Wahlen ausgedrückt hatten
auch zu verteidigen. Und erst danach fing eigentlich Milosovic an
zu merken, dass das für ihn gefährlich werden konnte, denn
er herrscht auch weiterhin sehr geschickt ohne eine Mehrheit zu haben
und ohne einen so starken Apparat der Repression zu haben, wie ihn
der Stalin-Kommunismus (gar nicht zu reden vom Hitler-Faschismus)
gehabt hat.
Ich fürchte, dass wird sich jetzt verändern. Denn er steht
mit dem Rücken zur wand, Milosovic hat eigentlich keine Wahl
mehr nach der Anklage in Den Haag und nach der Entrüstung, die
ihm aus der eigenen Bevölkerung entgegenschlägt. Es geht
jetzt bei ihm nicht mehr um die Macht, sondern um das nackte Leben
und Leute, die um ihr Leben kämpfen, werden gefährlich.
Jetzt vor kurzem als ich in Belgrad war, hat man in einem Fußballstadion
während eines Matches gebrüllt: Slobo, bringe dich um! Und
das haben Tausende und Abertausende gerufen. Ich glaube, das hat noch
kein Machthaber, kein Diktator so gehört, von einer solchen Menschenmenge
- der dann die Polizei auch gar nichts anhaben kann, weil es so viele
sind.
... aber doch ist dieses Zeitalter, in dem wir jetzt
leben - und in dem in Serbien passiert, was in Serbien passiert und
in dem in Eritrea passiert, was in Eritrea passiert und in dem anderswo
etwas anderes passiert - das Zeitalter, in dem die ganze Menschheit
augenblicklich dabei ist. Das ist das Neue. Und jetzt kommt meine
Frage (ich habe keine Antwort): Nützt
das überhaupt etwas? Nützt das überhaupt etwas?
Ist das, was ich sehe im Fernsehen wenn es um Eritrea geht und um
Afrika oder um anderswo nur so eine kurze Nachricht, wo ich weitergehe
und es kümmert mich nicht weiter? (Eventuell zahl ich zehn Schilling
oder tausend Schilling wenn ich sie hab) Und da kommt jetzt meine
Befürchtung, nämlich dass je mehr wir reden, je mehr wir
dramatisieren, um so leichter geht man dann von einem zum nächsten
Film über.”