JEDEN SONNTAG (SERIE) 23:05. - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST


 

 

ist ein Projekt von Bernhard Loibner und Tom Sherman aka Nerve Theory

[ ENGLISH ]

 


 

Nerve Theory wird während des ganzen Jahres 2006 eine Serie von Radio-Miniaturen für die wöchentliche Kunstradio-Sendung gestalten. Nerve Theory ist die Corporate Identity von Bernhard Loibner und Tom Sherman.

Die aktuelle Arbeit von Nerve Theory richtet unsere Aufmerksamkeit auf das Vogelgrippe-Virus, H5N1, und die damit einhergehende Hysterie über eine unausweichliche globale Grippe-Pandemie. Loibner und Sherman verwenden die Idee des sich entfaltenden und beständig mutierenden H5N1-Virus als Anfangspunkt für eine Serie von künstlerischen Statements über die Welt in der wir leben. Stellen sie sich eine Welt vor, in der Künstler die Nachrichten schreiben. Nerve Theory sind keine Wissenschaftler aber sie sind Experten im Beobachten und Beschreiben von Medienviren und eines ganzen Spektrums von lebendigen, sich unablässig weiterentwickelnden Ideen.

Wann immer sie das Sound-Logo “H5N1: there is no privacy at the speed of light…” hören markiert dieser Sound ein Update des H5N1-Virus auf seiner Mutation, hin zu einem Wesen das unsere Privatsphäre stört und unser Leben bedroht. Die Radio-Miniaturen von Nerve Theory werden während des Jahres 2006 Woche für Woche unvermutet im Kunstradio auftauchen.

Kunstradio ist bereits befallen. Wie steht es mit Ihnen? Hören Sie Kunstradio?

Eine Auswahl der bisherigen H5N1 - Radiominiaturen werden bei
paraflows 06 - annual convention for digital arts and cultures
präsentiert.

Hören Sie hier die einzelnen Miniaturen:

1. Die herkömmliche Grippe (Typ A) tötet jedes Jahr zwei Prozent er an ihr erkrankten Personen, wobei das Risiko für ältere Menschen und Kleinkinder größer ist. Die voraussichtliche Vogelgrippenpandemie mit einer Sterblichkeitsrate von 15 bis 20% dürfte für das gesamte Spektrum normalerweise gesunder Menschen tödlich sein, wobei aber auch hier ältere Menschen und Kleinkinder besonders gefährdet wären.

Erste, von den Regierungen getroffene Maßnahmen konzentrieren sich darauf, ausreichende Vorräte an Medikamenten anzulegen, damit jene Berufsgruppen behandelt werden können, die für ein fortgesetztes Funktionieren der Gesellschaft unabkömmlich sind. Demnach würden Ärzte, Krankenschwestern, Mitarbeiter der Müllabfuhr und Regierungsbeamte als erste geimpft und mit dem Grippemittel Tamiflu versorgt werden. Bislang zählen zu den für ein Funktionieren der Gesellschaft unverzichtbaren Personengruppen weder Künstler noch arbeitslose Jugendliche oder Hausfrauen.

2. Regierungen lieben die Vorstellung von einer globalen Pandemie, weil sich der Mensch von seiner Regierung Schutz erwartet, sobald eine Bedrohung jenseits der nationalen Grenzen auftaucht, oder schlimmer noch, wenn diese Bedrohung unsichtbar ist und womöglich im Essen lauert. Regierungen, denen es nicht gelungen ist, ihre maroden Wirtschaften zu beleben und die hohe Arbeitslosigkeit zu senken, sind plötzlich in die Lage versetzt, eine Schlüsselrolle im Bereich der Biosicherheit zu spielen. Die europäische Union sagt, sie werde ihre Schritte beschleunigen und im Kampf gegen H5N1 strengere Bestimmungen erlassen, indem sie den Bauern die Stallpflicht für ihre Hühner anordnet. In Zukunft dürften Kinder heranwachsen, die ihr Leben lang kein lebendes Huhn zu Gesicht bekommen. Man sieht jetzt häufig staatliche Inspektoren in weißen Bio-Schutzanzügen aus Plastik, die die Reifen der Autos und Fahrräder und die Schuhsohlen der Leute mit Desinfektionsmitteln besprühen. Die Vogelgrippe ist das ultimative politische Mittel, um Menschen durch Angst und Stress unter Kontrolle zu halten. Der Feind ist ein unsichtbarer Virus, der sich verschworen hat, einen der wichtigsten Bestandteile unserer Nahrungsmittelkette zu besetzen.

3. Der Mensch hasst Viren aller Art, so wie er Haie hasst und Ratten und Mücken. Viren wird die Schuld für alles gegeben. Viren scheinen sowieso nur Ärger zu machen, das fängt mit der normalen Erkältung an und reicht bis zu einer tödlichen Grippe. Den Viren verdanken wir Windpocken und Masern und Mumps und Röteln und Keuchhusten und Hepatitis und Polio und Warzen und Herpes und HIV. Viren sind Hiobsbotschaften. Wann sind Sie das letzte Mal mit einem guten Virus in Berührung gekommen? Dabei schaden uns die meisten Viren nicht, manche sind sogar gut für uns, bloß wird selten über Viren gesprochen, die dem Menschen gut tun. Die Russen sind sehr gut im Kampf gegen antibiotika-resistente bakterielle Infektionen; sie bekämpfen sie mit Bakteriophagen, also mit Viren, die Bakterien töten,. Und die Holländer führen bei Tulpen und blühenden Bäumen Farbveränderungen herbei, indem sie die Pflanzen mit viralen Infektionen behandeln. Man nennt das Variagation. Viren machen unsere Blumen und Bäume hübscher! Wir wissen natürlich nicht, was die Blumen und Bäume von den Viren halten.

4. Wenn Sie Ihren Job hassen, dann ist Abhilfe in Sicht. Sollten Sie einen Ihrer Kollegen absolut nicht ausstehen können, haben Sie vielleicht Glück, und er wird eliminiert. Wem die Schule zum Hals heraushängt, kann davon ausgehen, dass der Unterricht für lange lange Zeit eingestellt wird. Zu öffentlichen Versammlungen wird es kaum noch kommen. Wenn Sie Flugangst haben, haben Sie eine Sorge weniger, da alle Flugzeuge am Boden bleiben werden. Züge und Busse fahren möglicherweise noch, aber auch das ist unwahrscheinlich. Wenn Sie kein Auto besitzen, werden Sie wohl zu Fuß gehen müssen. Denken Sie nur, wieviel Energie die Welt sparen wird. Alles Reisen wird zum Stillstand kommen, wenn die Vogelgrippe erst mutiert und auf den Menschen überspringt und sich rasch ausbreitet. Der weltweite Ölverbrauch wird in den Keller gehen. Einige der schlimmsten Umweltschädlinge werden aufhören zu existieren. Der Umwelt wird eine globale Pandemie sehr gut tun.

5. Spread the Virus (kein Skript)
(*gesendet in der Sendung Ö1 Matrix sowie bei dem Projekt schwankungen.de)

6. Im Internet kursiert ein Bild, auf dem Mozarts Schädel mit einem knallroten Indianerfederschmuck zu sehen ist. Von offizieller österreichischer Seite wird behauptet, das Bild sei eine Fälschung und dass es zwischen Österreichs geliebtem Mozart und Montezuma, dem mexikanischen Aztekenherrscher, nicht die geringste Verbindung gebe. Das Internetbild zeigt einen menschlichen Schädel mit einem hohen, aus abwechselnd roten und schwarzen Federn bestehenden Kopfschmuck. Die Federkrone Montezumas – die echte – befindet sich im österreichischen Völkerkundemuseum in Wien. Ihre Federn sind allerdings grün und nicht rot. Der Schädel auf dem Internetbild kann Wolfgang Amadeus Mozart gehören oder auch nicht.

7. Mozart lebte vor sehr langer Zeit. Vor 250 Jahren gab es keine Düsenflugzeuge und keine Autos und keine Computer und es gab auch keine Pest und keine Vogelgrippe. Musikliebhaber können sich glücklich schätzen, dass Mozart zu einer Zeit lebte, als die Pest und die von ihr in Europa angerichteten Verheerungen bereits Geschichte waren. Verbreitet wurde die Beulenpest von Ratten und Mäusen und Eichhörnchen. Die Übertragung auf den Menschen erfolgte durch Flöhe, die auf der Suche nach Nahrung totes oder sterbendes Getier sich selbst überließen. Als Mozart die Herrschaft über Klavier und Harfe antrat, war die Pest von der Bildfläche verschwunden. Sollte es zu Mozarts Lebzeiten die Vogelgrippe gegeben haben, wusste niemand davon. Von Viren hatte kein Mensch je gehört und wenn Tiere erkrankten und starben, wurden sie einfach verspeist. Wild war sehr geschätzt und es ist unwahrscheinlich, dass sich die Menschen im 18. Jahrhundert vor Hühnern oder Enten oder Gänsen fürchteten. Die Märkte und Küchen quollen über mit gefährlichem Federvieh und Schweinefleisch. Die Historiker meinen, Mozart könnte am Genuss halbgarer Schweinskoteletten gestorben sein. Demnach könnte ein Schweinewurm Mozart getötet haben. Trichinosis Amadeus.

8. Der österreichische Auswanderer Arnold Schwarzenegger, seines Zeichens Gouverneur von Kalifornien, ist und bleibt ein vehementer Befürworter der Todesstrafe. In den USA ist das staatlich subventionierte Töten eine Art Politsport. Der Tod, herbeigeführt durch eine tödliche Spritze, die Gaskammer oder den elektrischen Stuhl, beweist, wie tough Amerika im Kampf gegen das Verbrechen sein kann. Aug um Aug, Zahn um Zahn. Arnie, der Terminator, zeigt im Kampf gegen das Verbrechen sehr große Muskeln. Schwarzenegger behauptet, er gehorche lediglich dem Willen des Volkes. Die Sportart nennt sich staatlich subventioniertes Töten.

9. Die mexikanische Regierung in Baja California hat Arnold Schwarzenegger zur “persona non grata” erklärt. Schwarzenegger ist ein echter Hardliner, wenn es darum geht, mexikanischen, illegal in Kalifornien beschäftigten Wanderarbeitern ihre Rechte abzusprechen, weshalb von offizieller mexikanischer Seite erklärt wurde, dass sein Verhalten unerträglich und er in Mexiko nicht willkommen sei. Die USA errichten eine Mauer entlang der mexikanischen Grenze; damit wollen sie den Strom mexikanischer Einwanderer eindämmen, der sich seinen Weg nach Kalifornien und in andere an Mexiko grenzende Staaten bahnt. Die Mexikaner hingegen hoffen, mit dieser Mauer Arnold Schwarzenegger aus Mexiko aussperren zu können.

10. Virus ist das lateinische Wort für Gift. Viren bedecken die Oberfläche unserer Welt wie Giftteppiche. Viren befinden sich im Staub auf dem Fußboden und auf den Oberflächen unserer Tische und Stühle. Sie tummeln sich auf Türschnallen und öffentlichen Telephonhörern, nachdem diese von infizierten Menschen berührt wurden. Der menschliche Husten und der Wind blasen Viren durch die Luft, bis sie sich auf unserer Haut niederlassen. Wir nehmen Kugelschreiber und Bleistifte in den Mund. Manche Leute bohren insgeheim in der Nase und schütteln dann Fremden die Hand, wenn sie mit ihnen bekannt gemacht werden. Der beste Schutz gegen Viren ist, sich regelmäßig die Hände mit Seife und heißem Wasser zu waschen, vor allem dann, wenn man vielen Leuten begegnet und sie einem die Hand schütteln wollen. Ich stoße immer öfter auf Leute, die ihre Hände stur in den Taschen behalten, wenn sie jemanden begrüßen oder verabschieden sollen. Küssen ist sehr gefährlich. Küssen und Türschnallen und öffentliche Telephonhörer dürften so ziemlich das Schlimmste sein.

11. Pandemic Podcast (kein Skript)
12. Jetzt sind sogar Schmusekatzen Virenträger. Unsere geliebten Katzenfreunde, die einst frei durch die Nachbarschaft stromerten, stehen heute unter Hausarrest. Die Singvögel im Gebüsch und in den Bäumen finden das herrlich und zwitschern uns von ihrem Glück. Was die Viren betrifft, lassen es die Singvögel darauf ankommen. Vor der Vogelgrippenpanik hat man die Hauskatze zu sportlicher Ertüchtigung und zur Jagd auf Singvögel ermuntert. Sie bekam ihr Futter im Napf und ihr einziges Opfer war der Bratensaft. Jetzt müssen Hauskatzen die Vögel aus sicherer Distanz und durch Fensterscheiben beobachten, als sähen sie sie im Fernsehen. Natürlich zwingt uns kein Gesetz, unsere Katzen einzusperren. Gegen ein paar hundert Euro können wir unsere Katzen gerne auf die Vogelgrippe testen lassen. Außerdem gibt es keine bekannten Fälle einer Übertragung von der Katze auf den Menschen, noch nicht jedenfalls. Möglich ist es aber schon, dass die selig schnurrende Katze in unserem Schoß eine tickende Ansteckungszeitbombe ist. Unwahrscheinlich, aber möglich. Und dann gibt es noch die Vogelhunde und unsere Kinder, die tagein tagaus mit fremden Tieren knutschen. Man sagt uns, bestimmte Viren können von Vögel auf Katzen, von Tieren auf Menschen übertragen werden. Wenn wir mit Tieren zusammenleben, ist alles mögliche möglich.

13. Die Vogelgrippenhysterie ist ein Fest der Paranoia. Das menschliche Wesen ist das intelligenteste Geschöpf des Universums. Wir haben den Verstand zur Paranoia. Schwäne und Enten machen sich keine Sorgen um die Vogelgrippe. Sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht. Wir hingegen können den Tod über die Ozeane kommen sehen, auf den Schwingen der Zugvögel. Wir zerbrechen uns den Kopf über Mikroorganismen und die Gesetze der Wahrscheinlichkeit. Wir grübeln über Dinge, die eintreten können oder auch nicht. Erinnern Sie sich noch, als wir dachten, zur Jahrtausendwende würden pünktlich um Mitternacht die Passagierflugzeuge vom Himmel fallen? Und dass der Y2K-Fehler in den Computeruhren eine von den Computern längst abhängige Welt lahm legen würde? Die Uhr schlug Mitternacht und nichts geschah. Die Vogelgrippenpandemie scheint viel gefährlicher. Seit knapp achtzig Jahren hat es keine weltweite Grippeepidemie mehr gegeben. Angeblich sind wir überfällig für einen Virus, der irgendwann in naher Zukunft Millionen Menschen keulen wird. Für diese möglicherweise globale Katastrophe gibt es keine präzisen Prognosen. Die pyschologische Pandemie hat jedoch bereits zugeschlagen. In unseren Köpfen bereiten wir uns darauf vor, ausgerottet zu werden. Unterdessen wütet in Afrika eine echte Epidemie. Während wir uns über tote Enten und Schwäne Gedanken machen und ob das Huhn, das wir zum Mittagessen verspeisen, sicher ist, sind dreißig Millionen Afrikaner mit HIV-AIDS infiziert und sterben jedes Jahr Millionen. AIDS können wir vergessen; es ist ein Synomym für Sex und schwarze Frauen und Kinder in Afrika. Stattdessen sorgen wir uns krank um tote Enten und Schwäne und Hauskatzen und die uwahrscheinlichen Gefahren in unseren Geflügelgerichten.

14. Bird on a Wire (kein Skript)
15. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Sie von den Überwachungskameras heutzutage in Farbe beobachtet werden? Früher sah man auf Videomonitoren, dass uns die Kameras ausschließlich in Schwarzweiß aufnahmen. Doch wenn wir heute ein Geschäft betreten, sehen wir uns in Farbe. Als sähen wir uns selbst in einem Spiegel. Ich frage mich, ob Ladendiebe nun eher Blau- und Grüntöne anstelle von wärmeren Farben wie Rot- und Gelbtönen oder Erdfarben tragen? Wahrscheinlich bevorzugen Kriminelle immer noch schwarze und weiße Kleidung. Im Zeitalter der Überwachungskameras müssen die Menschen anders über Mode nachdenken. Den Gedanken, mich wie ein Krimineller anzuziehen, fände ich abscheulich. Ich gehe nie mit einer Schimaske im Gesicht einkaufen. Ich bemühe mich daran zu denken, meine Sonnenbrille abzunehmen, ehe ich mich der Kassa nähere. Es macht die Kassiere nervös, wenn sie Ihre Augen nicht sehen können. Wenn ich einkaufen gehe, versuche ich, mich möglichst normal zu kleiden und mich so zu verhalten, als hätte ich nichts zu verbergen. Wenn es warm genug ist, trage ich kurze Ärmel und zeige so viel nackte Haut wie möglich. Das kommt besonders gut, wenn man eine helle Haut hat. Farbüberwachungskameras sind ziemlich schmeichelhaft, wenn Ihre Haut hell ist.

16. Ich habe begonnen, meine Eier zu waschen, so lange sie noch in der Schale sind und bevor ich sie koche. Früher habe ich meine Eier am liebsten als Spiegeleier gegessen, heute esse ich sie als Eierspeise und gut durch. Ich bemühe mich, Eier und Geflügelprodukte stets getrennt von anderen Nahrungsmitteln aufzubewahren. Ich habe immer Feuchtpflegetücher dabei, damit ich öffentliche Telephonhörer abwischen kann, bevor ich sie benutze. Ich habe Angst vor öffentlichen Telephonzellen und fühle mich mit meinem eigenen privaten Mobiltelephon viel wohler. Schnurlostelephone sind nicht sehr abhörsicher. Man kann für die Verschlüsselung von Nachrichten eigens bezahlen, aber die meiste Zeit zerbrechen wir uns über unsere Privatsphäre eigentlich nicht den Kopf. Persönlich ist es mir einerlei, ob meine Anrufe abgehört werden. Ich habe nichts zu verbergen. Mein Leben besteht aus keinen Geheimnissen oder Intrigen. Gespräche sind billig, und wen schert es schon, wenn mein Telephon abgehört wird? Angeblich werden alle unsere Telephonate von Rechnern durchkämmt, um nach terroristischen und sonstigen Verbrechen zu lauschen. Dieser Tage ist die Überwachung eine ernstzunehmende Angelegenheit. Ich wette, Terroristen und Verbrecher verbringen viel Zeit damit, ihre Sprache zu säubern. Geplante Bombenanschläge und Kreditkartenbetrügereien verbergen sich in Gesprächen über Viren und Geflügelgerichte. Sollten sie mein Telephon abhören, werden sie erfahren, dass ich meine Eier wasche, ehe ich sie in der Mikrowelle bei voller Energie und für die Dauer von zwei Minuten und fünfundvierzig Sekunden zu Eierspeise zubereite.

17. Die natürliche Lebenserwartung eines Huhns beträgt sieben Jahre. is seven years. If chickens are left to roam in the wild they will peck for grubs and worms and mixed grains. They will bathe in the dust. People claim a free-range chicken tastes much better than a chicken produced in a factory-farm.

Today’s factory-farmed chickens have quite a different lifestyle. Broiler chickens are raised in climate-controlled sheds in a perpetual artificial twilight, in a space equivalent to stuffing a parakeet in a jam jar. Broiler chickens aren’t allowed to stretch their wings or make a nest, or peck for food. Factory-farmed chickens are so stressed they will peck each other’s feathers out and resort to cannibalism if not de-beaked to protect the stock. They are force-fed fatty prepared foods, antibiotics and hormones to quicken the fattening process. Broiler chickens have a lifespan of six weeks. They are slaughtered and frozen and ready for the dinner table in a time-frame designed to maximize profits.

The avian flu can destroy a whole factory-farm full of chickens in 48 hours. The H5N1 virus spreads like wild fire in today’s modern factory-farm. The idea that chickens were once permitted to run free to mix with wild birds is now unthinkable. The market for those tasty free range chickens has completely collapsed. The chicken that runs free is a chicken whose days are numbered.


18. Wöchentlicher Bericht (kein Script)

19. Jemand, der über mich wacht (kein Script)

20. Es gibt alle möglichen Überwachungssyteme. Als diesen Frühjahr die Zugvögel aus Afrika nach Europa zurückkehrten, machten sich die Biologen auf die Suche nach dem H5N1-Virus. Unterdessen suchen die Ärzte der öffentlichen Krankenhäuser in dicht beisammen lebenden menschlichen Populationen nach Tuberkulosesymptomen. Mit den Migrationswellen fluten Krankheiten über die Grenzen. Flüchtlinge und illegale Zuwanderer wandern in die Städte auf der Suche nach Demokratie und der Sicherheit des urbanen Raums. Diese Migranten müssen fotografiert werden, man muss ihnen die Fingerabdrücke abnehmen. Video-Überwachungssysteme, auch CCTV genannt, sind mittlerweile mit Gesichtserkennungssoftware ausgestattet. Die Gesichtserkennung ist zwar noch zu ungenau, um Individuen zu erkennen, den Behörden leistet sie aber gute Dienste, weil sich damit Bewegungen und Ansammlungen bestimmter Bevölkerungsgruppen verfolgen lassen. Ein kompliziertes Checkpoint-Rastersystem observiert und registriert dunkle Hautfarben, bestimmte Körpertypen oder bezeichnende Kleidungsmerkmale. CCTV, das als Abschreckung vor Gewaltverbrechen beworben wird, erweist sich in der Zuwanderungskontrolle als wichtiges Hilfsmittel. Die Videoüberwachung untergräbt die Demokratie des urbanen Raums bis zum Kollaps. Raum wird zur Ware – er wird zu Privatbesitz; in bestimmten Vierteln sind dann nur noch bestimmte Menschen willkommen. Arme Menschen sind selten irgendwo willkommen. CCTV hilft den Behörden die Armen zu erkennen. Zuwanderer könnten ja flunkern und in den Genuss der Sozialstaatseuro gelangen. Zuwanderer könnten mit Tuberkulose infiziert sein. Zugvögel, die den Winter in Afrika verbringen, könnten H5N1 im Gepäck haben.

21. Überwachung fordert Disziplin. Die permanente Überwachung schafft treu ergebene Bürger, fleißige Arbeiter, gehorsame Patienten und gefügige nützliche Körper. Überwachungskameras patroullieren den öffentlichen Raum und spüren jede Bewegung auf.
Die Überwachung erfasst alles, was aus der Reihe fällt. Sobald eine von der Norm abweichende Person identifiziert ist, kann ihr geholfen werden: man kann sie absondern, ins Gefängnis stecken oder sie einfach niederspritzen.
Die Überwachung als Beruf ist was für Kontrollfreaks und autoritär Veranlagte, die es zur Polizei zieht oder zu den privaten Sicherheitsdiensten. Sozialarbeiter oder Schuldirektoren gönnen sich kleine sadomasochistische Kicks, die ihnen die Vorschriften ermöglichen und solche, die sich an keine Vorschriften halten und diszipliniert werden müssen.
Die Überwachung ist eine Wachstumsindustrie im absoluten Aufwärtstrend. Heute muss alles und jeder überwacht werden. Verdienen Sie sich Ihren Lebensunterhalt durch das Abstempeln von Unangepasstheit. Sorgen Sie dafür, dass die Leute wissen, wo ihr Platz ist. Setzen Sie die neueste Überwachungstechnologie ein, um alles aus dem Rahmen fallende aufzuspüren und zu vernichten. So lange es Nonkonformisten gibt, mangelt es nicht an Gelegenheiten für den Aufmarsch von Polizisten oder Psychiatern oder Vorgesetzen oder sonstigen Kontrollfreaks und autoritären Typen. Rechtschaffene Bürger haben nichts zu befürchten.

22. Hat man bei Ihnen je ein Brain Fingerprinting gemacht? Brain Fingerprinting ist eine neue Art von Lügendetektor. Anstatt nach nervösen Reaktionen auf der Hautoberfläche zu suchen, schaut die Technologie des Brain Fingerprinting in das Gehirn eines Verdächtigen. In den USA erhoffen sich FBI und CIA damit eine der wichtigsten forensischen Techniken seit der Erfindung der DNA-Analyse. Regierungen auf der ganzen Welt finden Brain Fingerprinting toll.
Und so funktioniert es: Einem verdächtigen Kriminellen oder Terroristen werden Bilder vom Ort des Verbrechens oder von einem Ausbildungslager für Terroristen gezeigt. Dabei werden die Gehirnwellen gescannt und auf sogenannte Wiedererkennungswellen untersucht – das sind Signale im Gedächtnis des Verdächtigen, die ihn mit dem Ort des Verbrechens oder einem Terrorakt in Verbindung bringen. Diese Wiedererkennungswellen im Gehirn nennt man P3000-Wellen. Der Verdächtige mag die Tat leugnen, aber eine Echtzeit-Analyse seiner oder ihrer Gehirnwellen kann eine vergangene kriminelle Tat schlüssig beweisen. Schuld wird durch bislang nicht nachweisbare Erinnerungen erwiesen.
Brain Fingerprinting wird von den Werbeagenturen schon länger eingesetzt, sie stellen damit die Wirksamkeit von Fernseh- und Radiowerbungen, von Werbeplakaten und Werbeeinschaltungen in Zeitschriften fest. Den Probanden wird Geld geboten, damit sie sich freiwillig die Gedanken lesen lassen und überprüft werden kann, ob bestimmte Werbekampagnen die gewünschte Wirkung zeigen. Auch Regierungen haben ein großes Interesse daran herauszufinden, ob ihre Ankündigungen in den Köpfen der Untertanen einwirken. Der ORF und Kunstradio könnten ihre Hörerumfragen durch die gezielte Anwendung von Brain Fingerprinting vervollständigen. Haben Sie je meine Stimme gehört? Wieviel Sorgen bereitet Ihnen die Möglichkeit einer Vogelgrippepandemie? Hat man bei Ihnen je ein Brain Fingerprinting gemacht?

23. Wir leben in einer Welt von Fremden. Weil immer mehr von uns in den Städten leben wollen, leben wir in einer Welt von Fremden. In der Stadt finden wir Privatsphäre – und Einsamkeit. Je autonomer wir werden und je mehr unser Sinn für Individualismus wächst, um so schwerer fällt es uns, andere von unserer Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen. Es gibt zwei Möglichkeiten, unseren Wert zu beweisen: durch Referenzen und indem wir uns testen lassen.
Zu den Referenzen gehören Kreditkarten und Führerscheine und Zeugnisse. Den Nachweis für unsere Identität erbringen Sozialversicherungs- und Passnummer. Unsere Referenzen sind aber erst vollständig, wenn wir unseren Körper vermessen und testen lassen. Wir müssen uns auf Herz und Nieren prüfen lassen, um unseren Leumund unter Beweis zu stellen. Fotos werden gemacht. Für bestimmte Jobs müssen wir uns einem Drogentest unterziehen – durch Abgabe einer Haarsträhne zum Beispiel oder einer simplen Speichelprobe. Wir sollen unsere Hände auf Geräte legen, die unsere Handgeometrie analysieren und so unsere Identität verifizieren. Man sagt uns, wir sollen für einen Iris-Scan in eine Videokamera starren. In vielen Bereichen unseres Lebens sind diese Zumutungen längst üblich geworden. Wir leben in einer Welt von Fremden und es wird immer schwieriger, uns einen Ruf zu schaffen und diesen auch zu bewahren.
In dieser Welt verlassen wir uns zwar immer noch auf unser persönliches, instinktives Urteil – wie jemand aussieht und wie er/sie riecht, welchen Klang ihre/seine Stimme hat und ob uns jemand in die Augen schauen kann. Wie sich jemand bewegt oder auf unsere Berührung reagiert – all das sagt immer noch viel über diesen Menschen aus. Aber unsere Intuition sagt uns nur so viel. Welche Art von Musik mag diese/r Fremde? Was sind seine/ihre Lieblingsfilme? Isst er/sie Fleisch? Bevor wir miteinander ins Bett gehen und Körperflüssigkeiten austauschen, müssen wir die Wahrscheinlichkeit etlicher Infektionskrankheiten ausschließen. Referenzen sind wichtig, aber damit ein Geschäft unter Dach und Fach ist, bleibt uns nichts erspart.

24. Reality TV als Vorbote eines Lebens mit Null Privatsphäre. Reality Shows geben uns einen Vorgeschmack für eine auf totaler Überwachung basierenden Gesellschaft. Die Reality Shows von heute verwandeln unsere Fernsehaparate in Überwachungsbildschirme. Wir beobachten gewöhnliche Menschen, die uns überzeugen wollen, etwas Besonderes zu sein. Ganz normale Leute, die sich unter dem Gewicht unserer kritischen Beobachtung abmühen. Die Wahrheit ist niemals gut genug. Wenn die Leute die Wahrheit verfälschen und sich im eigenen Lügennetz verfangen, feiern wir ihre öffentliche Bloßstellung und Demütigung. Wir lieben es, Verbrechern auf der Flucht zuzusehen und unschuldige Menschen ins Visier zu nehmen, denen gerade das Herz gebrochen wird. Wir identifizieren uns mit den Opfern des Reality-Fernsehens. Es macht Spaß, aus sicherer Distanz dem Leiden anderer zuzusehen. Es bereitet uns ein prickelndes Machtgefühl, gewöhnlichen Menschen mit elektronischen Augen und Ohren nachzusteigen und sie in die Enge zu treiben. Menschen wie wir. Wir nehmen ihnen ihr Geständnis ab. Wir verachten ihre Beschränktheiten. Die Menschen im Reality TV sind reinste Attrapen. Der einzige Grund, warum diese Leute überhaupt ins Fernsehen kommen, sind die niedrigen Produktionskosten und die völlige Entfremdung der Zuseher. Wir hassen die Leute im Reality TV, wie wir uns selbst hassen. Reality Fernsehen ist ein schönes Beispiel für die Entwürdigung der Erfahrung durch Technologie. Reality TV ist eine Generalprobe für ein Leben in der total überwachten Gesellschaft.

25. Wer um alles in der Welt sieht sich alle diese Videoaufzeichnungen an? Die Videoüberwachung, auch CCTV genannt, vervielfältigt Raum und Zeit, indem sie Millionen Stunden von Videoaufzeichnungen erzeugt. Die CCTV-Branche ist eine private. Die Firmen werden von kommunalen und staatlichen Regierungen und von großen Unternehmen unter Vertrag genommenen, damit sie unsere Straßen überwachen, die Gebäude, in denen wir arbeiten, doch vor allem die unheimlichen Ecken und Winkel, in denen Gefahr lauert. CCTV-Betreiber sind professionelle Wächter, die jedes, vom elektronischen Auge dieser Systeme erfasste menschliche Verhalten observieren. Typischerweise sind diese professionellen Voyeure Männer mit geringem Bildungsstand. Sie sind schlecht bezahlt und erhalten anfangs gerade einmal den Mindestlohn. Ihre Arbeitszeiten sind lang, und um über die Runden zu kommen, müssen sie häufig noch andere Jobs annehmen. Zehn Stunden am Tag auf zwei Dutzend Bildschirme zu starren, ist extrem langweilig, weshalb diese Männer den überwiegenden Teil ihrer Schicht im Halbschlaf zubringen oder in Pornoheftchen blättern. Mit der Zeit fangen sie an, die Leute zu hassen, die sie observieren, und konzentrieren sich auf junge Männer, jenes Segment der Gesellschaft, das am ehesten zu mutwilligen Beschädigungen und kriminellen Taten neigt. Neun von zehn Zielpersonen sind Männer. Vier von zehn sind Jugendliche. Hinzu kommt, dass die CCTV-Belegschaft in nicht geringem Außmaß rassistisch ist. Frauen werden im wesentlichen zum eigenen sexuellen Vergnügen beobachtet. Ein Neigen der Kamera und der männliche Blick zoomt über den weiblichen Körper und bleibt dank neuester Videoüberwachungstechnologie auf ihm kleben. Hochauflösende Farbaufnahmen werden aus großer Entfernung gemacht – bei Tag und bei Nacht. Wenn Prostituierte ihrer Arbeit auf Parkplätzen nachgehen, dienen die aufgezeichneten Sexualakte dem Vergnügen der CCTV-Belegschaft.

26. Bei der Weltmeisterschaft kam die Sicherheitsindustrie ganz groß raus. Um den Massenanstürmen bei der Weltmeisterschaft 2006 Herr zu werden, wandte die deutsche Regierung – mit tatkräftiger Unterstützung privater Unternehmen aus aller Welt – hochmoderne Überwachungssysteme an. Als offizieller Sponsor der letzten Weltmeisterschaft trat der holländische Elektronikgigant Philips auf. Philips und die vielen anderen Unternehmen, die das globale Fußballereignis der Sonderklasse mitgestalteten, wollten uns aufregende, aber sichere Fußballspiele garantieren. Diese Sicherheit begann bei den Eintrittskarten. Philips stellte dreieinhalb Millionen Tickets her, von denen jedes mit einem winzigen RFID-Chip ausgestattet war. RFID steht für Radio Frequency Identification. Der winzige Siliconchip auf diesen smarten Eintrittskarten beantwortete alle Anfragen eines Funkempfängers. Jede dieser Eintrittskarten für ein Weltmeisterschaftsspiel war auf die Person, die sie gekauft hat, zugeschnitten und repräsentierte sie. Beim Kauf musste man Name, Adresse, Staatsangehörigkeit und Geburtsdatum angeben, die Mannschaft, zu der man hielt, die Bankverbindung und die Personalausweis- bzw. Passnummer. Beim Betreten des Stadions wurde die Eitnrittskarte mit der Personalausweis- bzw. Passnummer gegengecheckt. Auf dem Chip befanden sich gar nicht so viele Daten, dafür lief der Identitätscheck über gleich mehrere Datenbanken. Zunächst einmal über die Datenbank der Stabsstelle für Sicherheit im Sport des deutschen Innenministeriums, in der 6.000 polizeibekannte Hooligans gespeichert sind. Dann über das nationale Informations- und Kooperationszentrum Deutschlands, das so unterschiedliche Einrichtungen wie den deutschen Fußballverband und Interpol koordiniert. Interpol brachte sein elektronisches Kommunikationssystem I-24/7 ins Spiel, das die Eintrittskarten für die Weltmeisterschaftsspiele mit ihren Datenbanken über gestohlene Reisedokumente und Fotografien bekannter Verbrecher gegencheckte. Und da bei derart globalen Großereignissen der Terrorismus immer eine Rolle spielt, kann darauf gewettet werden, dass auch die CIA mit von der Partie war. Eintrittskarten, die einen Verdacht auslösten, aktivierten Überwachungskameras mit Gesichtserkennungssoftware. Datenschützer befürchten nun, dass mit diesen smarten Fußball-Tickets visuelle Datenbanken angelegt werden, um persönliche und finanzielle Daten zu etikettieren. Bei der Weltmeisterschaft 2006 hatte die Sicherheitsindustrie ihren großen Tag. AXCESS, ein Spezialist für Ticketing und Zutrittskontrollsysteme mit Sitz in Salzburg, lieferte die Software und die Lesegeräte für die Eintrittskarten.

27. Die Videoüberwachung CCTV ist zur globalen, extrem konkurrierenden Branche angewachsen. Kosten müssen kontrolliert werden. Ergebnisse müssen geliefert werden. Der globale Output an Videoüberwachungsbändern wächst explosionsartig und die schwächsten Glieder in diesem Geschäft sind die menschlichen Betreiber und ihre hohen Arbeitskosten. Eine Überwachungsinstallation mit 24 Kameras erzeugt an einem einzigen 24-Stunden-Tag 576 Stunden Videomaterial. Umgelegt auf einen Monat sind das über 17.000 Stunden Videomaterial. Videoüberwachungseinrichtungen sind Bilddaten speiende Feuerwehrschläuche. Kein Mensch ist in der Lage, einer derart unaufhörlichen Bilderflut bei gleichbleibender Wachsamkeit standzuhalten. Dieses Problem soll durch die Automatisierung des Observierungsverfahrens gelöst werden. Die algorithmische Überwachung, eine automatisierte Mustererkennung der Eingabe von digitalen Licht- und Wärmesensoren, wird bereits entwickelt und eingesetzt. Da aber auch diese komplexen automatisierten Systeme von irgendjemandem überwacht werden müssen, wird die Branche auch in Zukunft riesige und ständig wachsende Mitarbeiterstäbe benötigen, die die Videobilder analysieren und im Fall einer sich abzeichnenden verdächtigen Tätigkeit die Behörden alarmieren. Durch die Glasfaserübertragung dieser Bilderflut mit Hochgeschwindigkeit kann diese Arbeit auch off-shore angesiedelt werden. Künftig werden CCTV-Systeme zum Schutz der Bürger und Einrichtungen im Vereinigten Königreich, in der Europäischen Union und in den USA von Sicherheitsexperten in Ländern wie Indien, Mexiko, der Slowakei und der Türkei off-shore überwacht. Off-shore-Analysen und Maßnahmen sind die Zukunft des CCTV.

28. Privatsphäre bedeutet das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, oder auch das Recht, die eigene Information und das eigene Image selbst zu kontrollieren. Wir fürchten uns zwar vor Big Brother, geben aber in einem fort unsere persönlichen Daten an, indem wir sie bei staatlichen Behörden, den Banken und einer beim anderen deponieren. Für den Erhalt eines Kredits, einer Ausbildung, einer guten medizinischen Versorgung und anderer notwendiger Dienste hat der Durchschnittsbürger seine Privatsphäre bereits weitgehend preisgegeben. Wenn Sie wählen wollen oder einen Beruf ausüben oder Land besitzen oder ein Geschäft machen oder Geld borgen oder ein Fahrzeug lenken, dann haben wir anderen das Recht wissen zu wollen, wer Sie sind. Wer heute aktiv mit der Gesellschaft interagieren möchte, muss seine Anonymität aufgeben. Anders ausgedrückt: Sie müssen für die Dinge, die Sie brauchen, Ihre Privatsphäre opfern.

Privatsphäre ist am ehesten als Schutz vor bestimmten Risikoarten zu begreifen – der Gefahr, falsch beschuldigt und ungerecht behandelt zu werden, der Gefahr eines Kontrollverlusts über die persönlichen Daten und der Gefahr, durch Bloßstellung und Beschämung die eigene Würde zu verlieren. Man kann sich die Privatsphäre aber auch als einen Schutzschild vorstellen, der uns vor Dress-Codes bewahrt und verhindert, dass eine bestimmte Kleidung oder Frisur oder bestimmte Tattoos und Piercings verboten werden. Privatsphäre kann die Freiheit vor einem tyrannischen Blick sein.

Nur wenige sind sich im Klaren, dass Kriminelle mit gefälschter Identität heute die einzigen sind, die in einer computerisierten Gesellschaft einen hohen Grad an Privatsphäre genießen. Kriminelle verbergen sich im Schatten der Unterwelt. Die absolute Privatsphäre gibt es nur in den undurchsichtigen Nischen am Rande der Gesellschaft. Wir anderen haben mit etwas Glück eine ganz gute Privatsphäre. Unsere Privatsphäre muss geschützt werden. Man weiß nie, wann man sie braucht. Unsere Privatsphäre ist unser Recht, in Ruhe gelassen zu werden.

29. In Zeiten des kalten Kriegs waren es die Regierungen, die Innovationen im IT-Bereich, also in der Informationstechnologie, anregten und vorantrieben. Heute finden die meisten IT-Entwicklungen im Privatsektor statt. Mit dem Ende des kalten Krieges in den 1980er Jahren gingen private Firmen, die bis dahin von Militäraufträgen abhängig waren, dazu über, die Observierung im Inland zu forcieren. Das war die sogenannte Friedensdividende: eine Blaupause für das totale Informationsbewusstsein. In allen Industrieländern wächst das Geschäft mit der heimischen Sicherheit bis heute. Die Observierung verlagert sich von der Armee nach unten zur Industrie und von dort zum Verbraucher. Besorgen Sie Ihrem Kind ein Mobiltelefon mit GPS-System. Lassen Sie Ihrem Hund einen RFID-Chip implantieren und dem Opa gleich dazu, wenn er dazu neigt, auf Wanderschaft zu gehen. Nanny-Cams sind heutzutage ein Muss, wenn beide Eltern im heimischen Sicherheitssektor Karriere machen. Für die New Economy hat sich der Krieg gegen den Terror jedenfalls ausgezahlt. Die leiseste Andeutung von NBC – so nennt man nukleare, biologische oder chemische Waffen – löst eine Lawine an Regierungsaufträgen aus. Die New Economy kann sich nicht beklagen. Sie lebt schon lange sehr gut von der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Die heimischen Sicherheitsbranchen verwandeln potentielle Terroranschläge in gut bezahlte Jobs. Und wir bezahlen das Geschäft mit unserer Unsicherheit.

30. Kids (kein Skript)
31. Die Phantasie kann außerhalb unserer Köpfe nicht überleben. Wenn wir jung sind, leben wir in einer Seifenblase. Wenn wir älter werden, werden unsere Köpfe allmählich leck und unsere Phantasie strömt heraus und stirbt. Nehmen Sie sich vor der Hirnszintigraphie – auch Brainscan genannt – in Acht. Er dringt in Ihren Kopf ein und löscht Ihre Phantasie. Vor einem Brainscan kann man nichts verstecken. Er sieht alles, was Sie denken, in Farbe. Die roten Flecken sind Ihre Geheimnisse. Die gelben Abschnitte sind die Dinge, die Sie morgen erledigen müssen. Die blauen Bereiche sind die Dinge, die Sie verloren haben, weil sie Ihnen nichts mehr bedeuten.

32. Ich hasse es, wenn man mich nicht ernst nimmt, weil ich jung und unerfahren bin. Wenn sie mich als den sehen könnten, der ich bin, würde ihnen klar werden, dass ich Dinge weiß, die sie nie verstehen werden. Ich werde es jedem sagen, aber Ihr werdet es nicht kapieren. Ich werde Euch dort berühren, wo ich es nicht soll. Ihr kriegt, was Euch gebührt. Ich werde Euch eine Lektion erteilen, weil Ihr Euch so sicher seid, alles zu wissen.

33. Ich fürchte mich davor, alt zu werden. Ich habe Angst, obsolet zu werden. Viren und Bakterien sind überall und Bomben fliegen in Flugzeugen mit und sitzen neben mir in der U-Bahn. Ich habe Angst, den Verstand zu verlieren. Mein Kurzzeitgedächtnis liegt im Tiefschlaf. Etwas geht bei einem Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Ich rieche alles. Ich habe keine Wahl. Früher benutzte ich meine Nase, um zu riechen, heute benutze ich sie, um mich zu erinnern.

34. In unseren Kulturen von Angst und Abscheu fürchtet sich eigentlich niemand vor dem Gesang der Vögel. Wir fürchten das Unbekannte und hassen alle, die es wagen, uns das Leben schwer zu machen. Streit und Zank sind überall. Gewalt ist der Inbegriff der freien Rede. Unterdessen singen uns die Vögel ein Lied von Nützlichkeit und Routine. Man hört sie im Morgengrauen und wenn der Tag zur Nacht wird. Irgendwo singt ein Vogel über Flug und Federn und die Stange, auf der er sich am liebsten niederlässt. Ein grimmig schöner Vogelgesang schneidet durch die Dunkelheit wie eine Rakete, deren Ziel echt ist.

35. Schädel und Gebeine sind heutzutage überall. Der Tod wird gefeiert wie eine mexikanischer Umzug, der sich über die Netzwerke ergießt und den Globus mit grellbunten Todesfahnen überzieht. Autohupen plärren und Musikkappellen spielen verrückte Märsche voll Soul und süßer Reue. Schädel lachen und Gebeine rühren die Kriegstrommel. Der Himmel dröhnt vom Lärm der Kampfflugzeuge und Raketen, die Erde vom Donner der Bomben. Der Tod tanzt Rock’n Roll. Das Schlagzeug pulverisiert die gedämpften Gleichklänge von Leben und Atemholen, während niederträchtige Skelette mit Messern des Hasses durch Fleisch und Blut schneiden. Den Toten scheint es zu gefallen, immer wieder aufs Neue zu sterben. Schädel und Gebeine sind heutzutage überall.

36. Opfer. Die Opfer des Krieges stellen Videos von ihren toten Angehörigen ins World Wide Web. Über das Internet versenden digital ausgerüstete Opfer komprimierte Files, damit alle ihren entsetzlichen Verlust und ihre Empörung sehen. Direkt von Ground Zero aus werden wir Zeugen von Bomben, die Häuser zerstören und Unschuldige töten. Seht, wie meine Familie ausgelöscht wird. Auf YouTube. Der fiebernde Unterbauch des jüngsten religiösen Info-Kriegs explodiert auf den Bildschirmen unserer PCs. Videos von Hinrichtungen durch Kopfabschlagen und die massive Schocktherapie durch selbstgebastelte Explosionskörper konkurrieren mit hochentwickelten smarten Lenkbomben und den gestylten Tarnanzügen von Legionen gut ausgerüsteter Besatzungskräfte.

37. Gesundheit. Die Vogelgrippe ist kein bloßes Gesundheitsproblem. Sie ist auch ein soziales, ökonomisches und die Sicherheit betreffendes Anliegen. Wenn Sie mich fragen, ich wäre zu allem bereit, um meinen Arsch zu retten.
Sollte die Vogelgrippe auf den Menschen überspringen und sich rasch ausbreiten, könnte die allgemeine Panik zu Diskriminierung und Gewalt gegen ethnische und religiöse Minderheiten führen. Die Schwachen werden zuerst niedergetrampelt. Ich sehe mich nicht am unteren Ende des Haufens, aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir.
Eine Pandemie hätte wirtschaftliche Verluste in der Größenordnung von 3,5 Billionen Euro, bzw. 12% des globalen BNP, zur Folge und würde eine Weltwirtschaftskrise auslösen. Andererseits würden 30 Millionen neue Leichen die Reihen der Arbeitslosen lichten.
Die Panik, kombiniert mit wirtschaftlichem Niedergang und einer verminderten staatlichen Kapazität, die Ordnung aufrecht zu erhalten, wird zu Volksaufständen führen. Städte werden brennen. Die Ausweitung des Verbrechens, darunter Menschenhandel und der Schwarzmarktvertrieb von Antivir, muss möglichst gering gehalten werden. Um die Auswirkungen der nächsten globalen Pandemie zu mildern, wird der entscheidende Faktor ein gutes Kommunikationswesen sein. Regierungen müssen die Wahrheit sagen und medizinische Fakten müssen die Netzwerke regieren. Stimmen der Vernunft werden Ihnen sagen, Sie sollen auf Ihren Herzschlag hören. Wenn Ihr Puls noch schlägt, werden sie sagen, dann stehen Sie auf und tanzen Sie. Man wird uns zum Konsum von Alkohol und Freizeitdrogen aufrufen und zu sexuellen Exzessen raten. Gute Regierungen werden uns nahelegen, Feste zu feiern, als gäbe es kein Morgen.

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