MATT HECKERT
AS OF NOW


Zeitgleich installation : AS OF NOW


1977 ging ich nach San Francisco, um dort am Art Institute Photographie zu studieren. Aber schon nach zwei Jahren war ich voll in der Rock and Roll/Punk Rock Szene involviert - ich gab das Studium auf und spielte in diversen Bands. Allerdings wurde mir das bald zu langweilig, und ich stieg wieder aus. Ich traf dann einen Typen namens Mark Pauline, der unter dem Namen "Survival Research Laboratories" (S.R.L.) mit verschiedenen Maschinen, die er selbst gebaut hatte, "Maschinenperformances" veranstaltete. Mich faszinierte das, weil ich mich schon als Kind für Maschinen interessiert hatte. Ich hatte mich viel mit Außenbordmotoren für Boote beschäftigt, und mit 12 hatte ich bereits mein eigenes Auto. Ich begann also, mit "Survival Research Laboratories" zu arbeiten, vorgeblich, um Soundtracks für die Shows zu produzieren.

Nach mehreren Sound-tracks fing ich an, meine eigenen Roboter zu bauen. Der erste hieß "The Jumping Machine". Er war etwa 190 cm hoch, lief mit einem Ben-zinmotor und konnte etwa 60-80cm in die Luft springen. Er hatte einen Blech-schädel mit ständig mahlendem Kiefer.

In den folgenden sechs Jah-ren konstruierte ich immer komplexere Roboter, lernte auch, ihnen eine gewisse Persönlichkeit zu verleihen, experimentierte mit Pyro-technik und produzierte dabei weiterhin die Sound-tracks für die S.R.L. Perfor-mances.

Meine ersten Versuche mit den Soundtracks waren unausgefeilt und simpel, sie bestanden oft nur aus zwei oder drei Tonbandkassetten. Aber als die Performances umfangreicher wurden, mit mehr Vorgaben und Anweisungen, wollte ich auch eine engere Relation zwischen Soundtrack und "Handlung" der Performance erzielen. Theo-retisch war das nicht schwierig, ich mußte nur eingehender überlegen, wie das Szenario der nächsten Performance aussehen würde und welche "Stimmen" die Maschinen haben sollten. Was ich anstrebte, war eine Überlagerung von Realität und Suggestion. Real waren die Bewegungen der Maschinen und die Klänge, die ich als ihre Stimmen einsetzte, während Dialoge aus billigen Filmen oder religiösen Fernsehshows, die ich so mixte, daß Leute, die sonst nie miteinander reden würden, emotionale Gespräche führten, suggerieren sollten, was die Maschinen bei ihren Aktionen "dachten".

Während der Performance den Sound mit dem Geschehen abzustimmen, war schwierig, da es zwar ein Drehbuch gab, aber das Timing variierte und oft etwas spontan geändert wurden mußte, weil die Maschinen anders funktionierten als erwartet. Ich löste dieses Problem, indem ich verschiedene Elemente des Soundtracks auf einzelne Bandschleifen verteilte, die dann, 15 oder 20 gleichzeitig, in ein Mischpult liefen, so daß jederzeit die entsprechenden Klänge parat waren.

Von 1980 bis 1988 arbeitete ich mit S.R.L., und in diesen Jahren waren das Konstruieren von Maschinen und die Produktion der Soundtracks getrennte Aktivitäten. Aber immer mehr wünschte ich mir, daß die Maschinen selbst alle Klänge erzeugen sollten. Ich wollte auch von all den Geräuschen wegkommen, die bei den Performances Standard geworden waren, und die ich satt hatte, nämlich Explosionen und laute Benzinmotoren. Da mir klar war, daß das nur in selbständiger Arbeit zu verwirklichen war, verließ ich 1988 S.R.L.

1989 begann ich mit der Arbeit an einer Gruppe von klang-erzeugenden Maschinen, die ich "Mechanical Sound Orchestra" nannte. Die Kriterien für dieses Projekt waren:
    - die Maschinen sollten "spielbar" sein, das heißt, jede sollte eine Reihe von Klangfarben oder Rhythmen produzieren können,

    - die Maschinen sollten ferngesteuert sein,

    - die Performances sollten nur aus Klängen bestehen, die die Maschinen selbst erzeugten, - d.h. keine Bänder, Samples oder andere Hilfsmittel -

    - die Bewegungen der Maschinen sollten über einen Computer gesteuert werden, damit eine feinere Abstimmung möglich war und sie als autonome Wesen erscheinen konnten.
Ich wollte, daß die Live-Performances die Unmittelbarkeit des Improvisierten hatten.

Jetzt ist es also so, daß die Bewegungen der Maschinen zwar vorprogrammiert werden können, ich aber jederzeit die Kontrolle übernehmen kann. Alle Klänge werden live von den Maschinen erzeugt, ohne ersichtliche Manipulation durch Menschen. Es ist mir sehr wichtig, daß immer, wenn jemand bei einer Performance einen Klang hört, er/sie auch sieht, wie er erzeugt wird - manchmal auf eine Art, die glauben läßt, das Ding sei außer Kontrolle geraten, oder sogar daß etwas gleich kaputtgehen wird.

Die Maschinen-Instrumente, die ich bis jetzt gebaut habe, sind eher perkussiv als melodisch. Eines davon sind die "Oscillating Rings". Das ist ein Stahltisch, ca. 240cm x 240cm x 6mm, auf dem sich 4 Ringe aus 60mm Stahlrohr mit einem Durchmesser von 1m befinden. Jeder Ring steht in einem Winkel zum Tisch und wird mittels eines motorgetriebenen Gegengewichts in eine Wälzbewegung um ein Lager versetzt. Die Motoren haben eine regelbare Drehzahl von 10-150 Umdrehungen pro Minute und lassen sich einzeln steuern. Für jeden Ring gibt es 4 Stahldrähte, die in die Kreisbahn bewegt werden können und Rhythmen erzeugen, wenn der Ring über sie läuft. Das Ganze wiegt etwa 550kg.

Ein anderes Werk ist der "Disc/Cable Mechanism" oder "Thing on a String". Es wurde für ein bestimmtes Gebäude konstruiert, nämlich das University Art Museum/Pacific Rim Archive an der University of Berkeley. Es besteht aus einem 16m langen 10mm-Stahlseil, das am einen Ende an der Wand befestigt ist und am anderen an einem motorisierten Arm, der in einem 60cm-Kreis rotieren kann. Das Seil läuft durch eine 4mm starke Aluminiumscheibe mit 120cm Durch-messer und einem konzentrischen Loch von 60cm. Diese Scheibe hängt etwa in der Mitte des Seils, und wenn das Seil schwingt, schwingt die Scheibe in einem großen Kreis am Seil mit. Die Kreisbewegung des Seils kann plötzlich gestoppt oder umgekehrt werden - dann hüpft die Scheibe ordentlich und erzeugt ganz tolle Klänge. Gleichzeitig wird dabei Aluminium von der Scheibe abgehobelt und rieselt wie leichter Schnee zu Boden.


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