"With the Eyes Shut" - Bilder im Kopf:
Ein Symposium zur Theorie und Praxis der Radiokunst.
Veranstaltet vom ORF-Kunstradio in Zusammenarbeit
mit dem steirischen Herbst

6. bis 8. Oktober, 1988 in Graz.
Der Begriff "Radiokunst/Radioart" bezeichnet auf eine "eigenartig schillernde Weise einen Bereich akustischer Kunst, in dem sich Einteilungen in Sparten wie Musik, Literatur oder Bildende Kunst auflösen", wie im Programmheft zu lesen war.

Die Veranstaltung im Rahmen des steirischen Herbstes war ein Versuch, aufzuzeigen, wie Theoretiker sich mit zunehmendem Interesse den vielfältigen Ansätzen zu einer spartenübergreifenden Kunst für das Radio sowie deren medienpolitischen und technologischen Rahmenbedingungen annähern und in diese übergreifende philosophische, soziologische oder kunstwissenschaftliche Fragestellungen einordnen.


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Donnerstag, 6. Oktober

    Am Programm standen:

  • Friedrich Kittler: "Wellenartillerie":
    Professor Friedrich Kittler Medientheoretiker und Literaturwissenschaftler, referierte über die "Wellenartellerie", über die Verknüpfung von Radio und Macht, Sender und Militarismus, Funk und Krieg: "Am 24. Dezember 1942, 32 Tage nach der Einschließung der 6. Armee bei Stalingrad, lief im Großdeutschen Rundfunk eine sogenannte Weihnachts-Ring-Sendung. Ein Sprecher in Berlin rief Wehrmachtseinheit nach Wehrmachtseinheit vor die Mikrofone. Von Stalingrad über die Murmanküste und Norwegen bis nach Frankreich, Süditalien und Kreta. Und alle sangen - sie erst einzel und dann einigermaßen Kopfhörersynchron - "Stille Nacht, heilige Nacht". Ein Hörspiel so groß wie die Festung Europa, so Todesschlafsüchtig wie das Finale der Götterdämmerung, aber auf einer restlos verholenen Medienbasis. Um die Ring-Sendung überhaupt möglich zu machen, mußte der Staatspropaganda-Sender seine Übertragungswege für einmal kurzschließen mit den geheimen sogenannten Wehrmachtnachrichtenverbindgungen."
  • Georg Katzer: "Möglichkeiten radiophonen Komponierens: das Hörstück".
    Aide Memoire" von Georg Katzer. Eine Auftragsarbeit für den DDR-Rundfunk. Ausgangsmaterial für dieses Hörstück waren ausschließlich Originaldokumenten aus der Zeit des Dritten Reiches.
  • Hörfunkprogramm Österreich 1 "Kunstradio-Radiokunst": Eine Sendung von Klaus Ramm: "Damals vor Graz: Das Röcheln der Mona Lisa". Autoren aus Österreich am Anfang des "Neuen Hörspiels".
  • "Whispering Elms" - Flüsternde Ulmen - eine Installation von Ed Tomney im Stiegenhaus des Palais Attems. Tomney hatte auf den Halbstockplateaus Lautsprecher aufgestellt, aus denen Sätze und vorgefundene Dialoge in verschiedenen Sprachen zu hören waren. Männer- und Frauenstimmen waren streng stereophon getrennt. Den verschiedenen "Charakteren" des Stückes wurden in der Installation verschiedene Orte im Stiegenhaus des Palais Attems zugewiesen. Palais Attems, 6.- 8. Oktober 1988.
  • Die Installation "Itin.Burd" des Schweizers Bruno Beusch beruhte auf dem "Itinerarium Burdigalense", einer detaillierten, einst für Pilger gedachten Wegbeschreibung aus dem 5. Jahrhundert. Palais Attems, 6. - 8. Oktober 1988.

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Freitag, 7. Oktober

    Am Programm standen:

  • Nicholas Zurbrugg: "The Antipodean Avantgarde. Sound Art and Radio Art in Australia".
    "In der einfachsten Definition kann Radiokunst als diejenige Form der Kreativität gedacht werden, die in ihrer Gesamtheit von der Radiotechnologie abhängt - von der Konzeption, über die Realisation bis zur Distribution, die Verbreitung." In seinem Vortrag "Sound Art and Radio Art in Australia" stellte Nicholas Zurbrugg u.a. "Surface Tension" - das Australische Pendant zur ORf-Kunstradio-Sendung und den Künstler Alan Vinzents vor.
  • William Furlong: "Placement and Recognition".
  • Bruce Barber: "Radio: Audio Art's Frightful Parent".
  • Klaus Schöning: "Akustische Kunst im Radio":
    In seinem Vortrag sagte Klaus Schöning, Dramaturg in der Hörspielabteilung des Westdeutschen Rundfunks und Kurator der erstmals auf der Kasseler Documenta eröffneten Audiothek: "Die Phase der öffentlichen Präsentation akustischer Kunst - außerhalb des Radios - wurde nicht zuletzt durch die Einladung und Einbindung zahlreicher US-Komponisten und Poliartisten in die Entwicklung der vom Hörspiel ausgehenden Aktivitäten beflügelt. Für viele dieser Künstler ist die mehrmediale Performance mit Mikrofon, Tonband, Video, Mischpult und Stimme die geläufigste Form der Darstellung. Die Begegnung dieser künstlerischen Praxis die sich in den Vereinigten Staaten nahezu vollständig außerhalb des Radios und des Fernsehens vollzieht, mit der ganz aufs Akustische und auf Sendungen bezogenen Studioarbeit hierzulande, förderte und fördert weiterhin beiderseitige, belebende Impulse. Das Radio als kultureller Faktor, experimentierend im Kontext aktueller technischer und künstlerischer Entwicklungen."
    "Die akustische Kunstwelt aus Sprache ist eine Welt aus Klängen und Geräuschen. Sie umfaßt eine Sprache die zum Laut tendiert zum Sprachklang und zur Musik, dem Allklang der Töne, der akustischen Umwelt. Die Akustische Kunst stellt eine Symbiose dieser Sprach-Geräusch-Welten und Klangorganisation mit den Mitteln der elektronischen Technik dar. Ihr aufnehmendes, sensibles Ohr ist das Mikrofon; Ihr Tonträger, das Tonband, die Kasette, die Schallplatte, der Mikrochip; Ihr sprechender Mund, der Lautsprecher; Eine ihrer Utopien, ein allen zugänglicher Hörraum: Das Radio."
  • Vittorio Fagone: "Return of Radio".
  • Douglas Kahn: "Writing with Sound".
  • Helen Thorington: Präsentation der unabhängig produzierten Radioserie "New American Radio".
    Helen Thoringtons unabhängige Radioserie "New American Radio" war meilenweit entfernt von einer staubtrockenen Schulfunk-Avantgarde und scheute weder avansierte Rockmusik noch den zeitgenössischen kritischen Politsong.
  • Laszlo Revesz und Gabor Bora: "Prager Student":
    Im Grazer Funkhaus verlagerten Laszlo Revesz und Gabor Bora in ihrer Performance "Prager Student" das Doppelgängermotiv ins Kunstphilosophische. Ein gezeichneter Tisch, der an die Vorderseite eines Tisches geschraubt wurde, schaffte neue Therorispekulationen.
  • Janos Sugar: "Skandal-Methode":
    Janos Sugar beschwor in seiner Performance "Skandal-Methode" im Grazer Funkhaus den kontrollierten Zufall mit Hilfe eines Glückslottorades.

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Samstag, 8. Oktober