Aspekte der Telekommunikationskunst in Österreich
von
Heidi Grundmann
[DEUTSCH]

In Projekten dieser Art werden spezifische Formen des Konzertes bzw. der Performance für die Telekommunikationskunst erarbeitet, d.h. dem Publikum wird nicht die oft mit grosser Schwellenangst verbundene Rolle des aktiven Teilnehmers zugemutet, sondern die traditionelle Haltung des Zuhörers/Rezipienten zugestanden. Allerdings erlebt dieses Publikum jeweils nur einen Teil des gesamten Werkes, diesen aber in Form eines eigenständigen Kapitels und im Bewusstsein der sich gleichzeitig an anderen Orten entfaltenden weiteren Kapiteln. Der offenen Werkcharakter von Projekten wie "Die Welt in 24 Stunden" oder gar "La Plissure du Texte", der Telefonmusik, von Fax- und Hypertextprojekten aber auch und besonders von Projekten wie der "Piazza Virtuale", bei der sich Massenmedien (Noch-Massenmedien) und alle möglichen anderen Kommunikationstechnologien auch für den Zuschauer verbanden, für diesen aber nur interessant waren, wenn er versuchte, sich selbst via Telefon, Fax oder e-mail in die TV-Sendung einzuschalten, wird aufgegeben. Die einzelnen Kapitel des Werkes sind leicht nachvollziehbar, da auf konsumierbare Zeiten reduziert und nach einer nachvollziehbaren Dramaturgie gestaltet und und selbst, wenn wie bei "Chip Radio" im Radio übertragen, nicht auf die Verschmelzung mit der akustischen Umgebung des Hörers hin angelegtsondern eher auf dessen Abschirmung von dieser Umgebung. Denn nur über Kopfhörer lassen sich die Feinheiten der Live-Kompositionen mit Material aus den drei verschiedenen Ursprungssorten im Stereo-Raum erfahren. Die gesamte Arbeit ist zwar auch bei den Projekten dieser Art weder von den aktiven Teilnehmern (KünstlerInnen/Techniker) noch vom Publikum der verschiedenen Orte erfahrbar. Ein Schwerpunkt der Recherche ist jedoch die Frage danach, wie die unterschiedlichen, miteinander verknüpften Räume in ihrer Verschachtelung in jedem einzelnen Erlebnisort abgebildet und zur ästhetischen Erfahrung gemacht werden können. "Es geht nicht um das Verschwinden des Raumes, sondern um die Entdeckung von Räumen" (Andres Bosshard).

Themen von Projekten im elektronischen/digitalen Raum sind aber nicht nur die Simultanität, das Phänomen der Telepräsenz, das Zusammenwachsen und zugleich Ausdifferenzieren von Orten in der Zeit, die Verknüpfung unterschiedlicher Öffentlichkeiten, usw. sondern zugleich auch der Übergang von traditionellen, in bestimmten Traditionen verankerten und nur von diesen her lesbaren Kunstformen zu einer post-traditionellen Kunst. Die meisten der Projekte im elektronischen Raum beschreiben ja nichts anderes als das Verschwinden von Kunst so wie wir sie kennen.

Heidi Grundmann, Auszug aus: Zweifel und Andere Tugenden, Aspekte der Telekommunikationskunst in Österreich, in: On Line, Graz 1993

[ENGLISH]

In such projects specific forms of concerts and performances are developed for telecommunication art, i.e. the public does not have to take the role of an active participant, in which the public frequently feels extemely uneasy, but may take the conventional view of al listener/recipient. This audienc, however, only experiences part of the entire work, rather in the form of a separate chapter while being aware of the other chaters unfolding elsewhere at the same time. This constitutes an abandonment of the open workshop character as we know it from projects like "The World in 24 Hours" or even "La Plissure du Texte" of telephone music, fax and hypertext projects and especially of projects like "Piazza Virtuale". Piazza Virtuale combined mass media - or what still thought to be mass media - an all other communication technologies also for the spectator, for whom they were only interesting when he/she tried to enter the broadcast via phone, fax or e-mail. The individual chapters of the project can easily be traced since the work was reduced to the consumable time, arranged according to a given scenario and even if it was broadcast via radio as with "Chip Radio" - it was not designed to merge with the acoustic environment of the listener but rather to shield him/her from this environment. It is only via era-phones that you can sense all the subtleties of the live compositions with material coming from the three different locations in the stereo space. The overall work, however, cannot be grasped, neither by the active participants (artists/engineers) nor by the audience at the various places. A focus for research is the question how the different interlinked spaces can be represented in each location in all their intricacies and be made an aesthetic experience. "It is not about the disappearance of space, but about the discovery of space" (Andres Bosshard).

It is not only simultaneity, the phenomeneon of telepresence, the convergece and at the same time differentiation of space in time, linking various "publics", etc. that are topics of projects in the electronic/digital space, but also the transition to post-traditional art from conventional types of art rooted in certain traditions and only understandable from these traditions. Most of the projects in electronic space describe precisely the disapperenrance of art as we used to know it.

Heidi Grundmann, from: Doubts and other Virtues, Some aspects of telecommunication art in Austria, in: ON LINE, Graz 1993