Kunstradio LIVE
CONTRA*MODULATION
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CONTRA*MODULATION

von Oliver Stummer
live aus dem ORF Studio RP4

Ein radiophones Kunstexperiment zur Diskussion und Reflexion über Trends zum Formatradio, mit Hinblick auf den österreichischen Radiomarkt. Ein romantiesierter alchymischer Dekonstruktionsprozeß, der mehr den Willen des Menschen kreativ und verändernd ins Geschehen einzugreifen Illustrieren, als tatsächlich Änderung herbeiführen will, denn Medien und Kunst haben keinen direkten Effekt auf unser Verhalten, nur einen Einfluß. Wollen wir diesen Verstehen und Nutzen, müssen wir ihn Annehmen und Untersuchen. CONTRA*MODULATION wird dabei selbst Teil des untersuchten Gegenstandes, nimmt seine Form und Sprache an und bemächtigt sich der selben technischen und ideellen Kommunikationskanäle.

Stellvertretend für die österreichische "Radiolandschaft" werden 3 ORF Radioprogramme Ö3, FM4 und Radio Wien am 28.03.04 live im Radiokulturhaus und on air mit- oder gegeneinander ringmoduliert und dann auf dem verbleibenden vierten Kanal, Ö1, ausgestrahlt. Es wird keinerlei vorproduzierte Material zugespielt oder weitere Verfremdung vorgenommen.

Da das Ergebnis zwar vorgestellt, aber nicht vorweggenommen werden kann, kann CONTRA*MODULATION nicht beschrieben werden. Folgender Text ist daher selbst nur ein weiteres Format, eine weitere Modulationsquelle.

LOGOFEST

CONTRA*MODULATION ist Verdichtung, nicht Lösung. Überspitzung zur Metapher die ergründet werden will. Eine Experiment vorgenommen am untersuchten Material, ein Ausloten formbarer Stellen in Objekt wie Subjekt. Schlußfolgerungen müssen aus der Beobachtung des Verhältnisses beider zueinander getroffen werden. Betrachtet wird nicht die Welt, sondern das jeweilige Referenzsystem, im Fall von Radiokunst die Verflechtung von Kunst als Prozeß von Gestaltung und Umgestaltung als Vermittlung, und Radio als Kanal der Vermittlung. Durch Eingriff in die Übertragung wird das Signal moduliert, die Veränderung in der Kommunikation wiederum beeinflußt den Kommunikator. Selbst-referenzielle Verhältnisse aber lassen sich nur anhand ihrer Fehlfunktionen analysieren. Ein, wenn auch imperfekt, stets nach Selbstharmonisierung trachtendes System wie die Kommunikation, bedarf eines äußeren Agens, eines Impulses zur gezielten Auslösung der Fehlfunktion.
Sich selbst Modulierend tritt das Material in die Rolle jenes Agens, spielt sich gegen sich selbst aus. Folgt der Eigenheit des Untersuchungsobjektes und führt lediglich willkürlich zusammen, was mittels willkürlicher Logik streng getrennt wurde. Ganz dem Streben nach dem geringsten Nenner entsprechend, wird es miteinander Multipliziert, wodurch jene Inharmonie entsteht, welche Schwächen und Brüche, damit aber auch neuartige Reize in sich birgt.
Wie in Chemie und Alchimie: Das Prinzip der Katalyse, der Ansatz der Verschmelzung, der Zusammenführung anstelle der Ablöse, des Ausschlusses. Auch im Widerspruch ist gegenseitige Bedingung, er kann nur Verstanden werden, wenn man alle konkurrierenden Sprüche kennt, alle Sprechenden versteht.
In der Reibung erkennen wir Konturen, in der Veränderung Aktion und Reaktion. Kommuniziert wird mit CONTRA*MODULATION die Betrachtung eines Phänomens welches den Radiohörer routiniert über sich hinweg-lullt und zunehmend die akustische Realität öffentlicher Räume überschwemmt und immer gleichförmiger werden läßt. Harmonie durch Reibungslosigkeit, die in Abhängigkeit von Erwartungshaltung und Erfüllung den Opium-für-das-Volk Heroin-Chic annimmt und an seiner eigenen Nähe zur Stasis kränkelt. Derweil selbst abhängig geworden vom Crack der Werbegelder zu scheinbar jeglichem Kompromiß bereit, wird der Realitätsverlust in Kauf genommen im symbolhaft verklärten Selbstbild. Marke statt Inhalt, Norm-alität tritt an Stelle der Real-ität. Gewohnheit ersetzt Bereicherung. Logischerweise kommen wir hier auch in Berührung mit Adornos Kulturindustrie Metapher, denn Kritik ist treibender Agent der Betrachtung, kann die Mauern zwischen Standpunkt und Ziel durchbrechen. Diese Keule jedoch muß, wenn Versteinertes durchbrochen wurde, auch wieder weggelegt werden, darf nicht zur Götze werden, das Werkzeug ist Mittel und nicht Zweck. Mit ihm, nicht wegen ihm muß geschaffen werden, so wie es selbst erst erschaffen werden muß. Medien und Diskurs erschaffen und bedingen sich Wechselseitig. Der Diskurs erst schafft Medien als Werkzeuge. Wie alle Werkzeuge gestalten diese den Umgang mit sich selbst mit und bekommen damit die Funktion von Grundlagen. Damit gestalten sie wiederum den Diskurs. Wandelt sich der Diskurs nicht beständig, endet er.
Darin liegen die Gefahren der zunehmende Formatierung des Denkens. Der Begriff wird nicht mehr deskriptiv, sondern präskriptiv verstanden, verkommt zur Marke. Verlieben wir uns in den Begriff, verliert jedes Symbol, und damit auch die Marke an Dimension. Es dient nur mehr seiner eigenen Beschreibung, kann nicht mehr für vielschichtigere Sachverhalte stehen. Wird eingeprägt, nicht mehr interpretiert. Wird nicht mehr erkannt, sondern nur noch wiedererkannt, geht vom allgemeinen Wissen in das Individualwissen über und wird darin nur noch über uns selbst mitteilbar. Was einmal Formatiert wurde, kann leicht re-formatiert werden.
Beides bleibt Austauschbar, solange es frei von Informationsgehalt bleibt. Darin biedert es sich an, denn anstatt zu geben, drängt es sich auf, wird zum Parasit. Ein Parasit muß seinen Wirt aber umfangen, sich an ihn schmiegen, ihn Töten. Da wir uns diese Parasiten jedoch selbst schaffen, können wir ihnen die Macht zu Töten nicht mitgeben, können nur Siechtum schaffen, werden dadurch Gefangene des Banalen. Wir aber brauchen steten Impuls um Realität zu schaffen. Deshalb brauchen wir um zu Verstehen auch das Begreifen. Was zu glatt ist, entgleitet dem Greifenden, was zu oberflächlich vermittelt wird, entzieht sich dem Be-Greifenden. Er hört auf zu greifen und nimmt nicht mehr wahr. Wir amüsieren uns zwar nicht zu Tode, aber vielleicht doch bis zur Langweile? Hier müssen wir, um aus dem zu Erwartenden auszubrechen, willkürliche Algorithmen einsetzen, um zufällige Ergebnisse zu erreichen. Im Zufall nämlich, liegt Transzendenz. Der Kreative braucht daher Willkür und Vorstellungskraft. Wenn wir den Begriff als Impuls, als Agens einsetzen anstatt mit ihm den Impuls zu Begrenzen, können wir Verstarrung auflösen. Nutzen wir Begriffe zur operativen Illustration von Ideen, können wir mitteilen und gewinnen damit Blickpunkte auf andere Ideen.
Duchamp bedurfte noch eines Pissoirs, wir können irgendwohin pissen und es Kunst nennen, wenn wir es nur ausführlich öffentlich rechtfertigen. Sturm und Drang des verklärten Dadaismus. Die romantische Illusion des Dekonstruktivismus, in den Trümmern die größere Wahrheit über das zerstörte Ganze zu finden. Die materialistisch - naturwissenschaftliche Sezier- und Definierwut, die nur der Aneignung, dem Begreifen dient.
Wunder, die bewegensten Erfahrungen des Menschen entstehen aus Unwissen, nicht aus Verstehen, dem Reiz der auf keinen bestehenden Rezeptor trifft. Ist Kunst die begreifbar ist, die nicht mehr zu verwundern Vermag, noch transzendent?
Die fehlende Bereitschaft noch Chaos in sich zu tragen und der Unwille zum stets scheiternden aber notwendigen Versuch es zu Ergründen, läßt uns Erfahrungen und Emotionen verlieren.

Ob CONTRA*MODULATION Chaos gebiert, oder zum kleinsten gemeinsamen Nenner wird, kann nur die Reflexion über sie zeigen. Belehren kann sie nicht, aber ein Impuls sein, um vielleicht einen Prozeß in Gang bringen der Reibung und damit neue Impulse schafft. Wie in der Musik, so gestaltet auch im Erleben die Dynamik die Form ebenso mit, wie das Spektrum. Die Dynamik läßt sich beobachten, Beobachtung läßt sich Teilen.

Wissen lebt und wächst nur durch Mitwissen.

Oliver Stummer