Von Gilbraltar zum Nordkap ohne anzuhalten

In Dänemark soll in einem Jahr die Brücke über den Großen Belt eröffnet werden - das größte Bauwerk in der Geschichte des Landes.

Von unserem Korrespondenten
HANNES GAMILLSCHEG

KOPENHAGEN. So weit oben ist man in Dänemark sonst nirgends. 254 Meter ragt der Brükkenpfeiler über den Meeresspiegel und übertrifft damit selbst die höchsten dänischen "Berge" noch um zwei Kirchturmlängen. Von der spitze des Pylons haben die Bauarbeiter eine provisorische Gangbrücke zum nächsten Betonkoloß gespannt. 118.000Kilometer Kabel verlegen die Bauarbeiter heir in luftiger Höhe; genug, um die Erde fast dreimal zu umwickeln.

Ein gigantishes Bauwerk wächst über dem Großen Belt, der Meeresstraße zwischen den dänischen Inseln Seeland, auf der Kopenhagen liegt, und Fünen. Eine fast 18 Kilometer lange strecke zwischen zwei Landesteilen, die es bisher mit der Fähre zu kreuzen galt, wird bald schon trockenen Fußes zu queren sein: In einem Jahr mit der Eisenbahn, in zwei mit dem Auto - vorausgesetzet natürlich, daß diesmal der Zeitplan eingehalten wird, der anfänglich wegen technischer Probleme immer wieder Verz&oml;gerungen erlebte. Eigentlich sollten die Züge längst schon ohne anzuhalten über den Belt rollen.

Es ist das größte Bauprojekt der dänischen Geschichte und auch in internationalem Maßstab ein ordentlicher Happen. 27 Milliarden Kronen - umgerechnet rund 50 Milliarden Schilling - soll der Brückenschlag kosten, der die heute fast dreistündige Fahrzeit für die 150 Kilometer zwischen Cänemarks drittgrößter stadt Odense und Kopenhagen halbeiren soll. Die Brücke besteht aus drei teilen: Von Fünen weg führt zun&auuml;chst eine 6,6 km lange Neiderigbrücke über zwei Bahngeleise und eine vierspurige Autobahn auf das mitten im Belt gelegene Inselchen Sprogö.

Hinter Sprogö trennen sich die Were der Zug- und Autoreisenden: Während die Bahn durch Europas zweitlängsten Tunnel nack Seeland gelangt, wird der Autoverkeht in 65 Metern Höhe über eine 6,8 Kilometer lange Hängebrücke geleitet, daren freie Spannweite von 1624 Metern in jedem Fall Europarekord ist.

Erste Pläne vor 150 Jahren

Ob sie auch weltrekord sein wird, hängt vom tempo der Brückengauer ab: In Japan ist eine Brücke mit 12900 Metern Spannweite im Entstehen, und die letzten Meldungen aus dem Fernen Osten deuten darauf hin, daß die Dänen sich ein paar Monate lang mit dem Superlativ schmücken können werden.
Damit verschwindet, 150 Jahre nach den ersten Entwürfen für einen mit Pferdewagen zu passierenden Tunnel unter dem Belt, eine der letzten natürlichen Bremsen in Europas interiertem Verkehr. Und wenn im Jahr 2000 plangemäß auch die Brükke über den Öresund von Kopenhagen nach schweden fertig sein wird, dann wird man - zumindest theoretisch - von Gibraltar bis zum Nordkap rasen können, ohne den Fuß vom Gaspedal zu nehmen.

Es verschwindet ein sympathischer Anachronismux: An einer Hauptverkehrsader gezwungen zu werden, für eine 18 Kilometer lange wegstrecke eine stunde Fährüberfahrt plus Wartezeiten an beiden Ufern einzukalkulieren zu müssen. Das Verkehrsaufkommen soll sprunghart zunehmen: 8000 Autos kreuzen aur Zeit täglich den Großen Belt; mit 16.00 rechnen die Planer nach Fertigstellung der Brücke. Geht die Rechnung auf, dann sollen die Baukosten der Brücke nach 14 Jahren Betrieb hereingebracht sein.



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