die klangstäbe

Eine interaktive Klangskulptur für den Österreichpavillon bei der EXPO' 92 in Sevilla. Im Eingangsbereich vor dem Pavillon aufgestellte elastische Stäbe werden von den Besuchern in Bewegung versetzt und steuern so das Klangenvironment der Skulptur.


Bei den Klangstäben handelt es sich um elastische, eigens für dieses Projekt gefertigte Stäbe aus Glas- bzw. Kohlefaser verstärktem Kunststoff - ein raumgreifender Dialog mit der Architektur des Pavillons.
Unterschiedlich im Durchmesser, und fest im Boden verankert, ragen sie bis zu 6m senkrecht in die Höhe, wodurch sie, von den Besuchern in Bewegung versetzt, Schwingungen ausführen, deren unterschiedliche Charakteristik von Materialzusammensetzung und Dimension des jeweiligen Stabes bestimmt wird.

Diese Schwingungen werden von Drucksensoren erfaßt, an einen Computer weitergegeben und von diesem ausgewertet. Die somit exakt in ihrer räumlichen Dimension reproduzierbaren Bewegungen der Stäbe werden in weiterer Folge zur Erzeugung bzw. Steuerung von Musikereignissen herangezogen. D.h. nicht die Körperschwingungen der Stäbe, sondern digital gespeicherte, bzw. computergenerierte Klänge stellen das akustische Ausgangsmaterial, welches durch den Einfluß der Besucher zu ständig neuen Variationen von Kompositionsfragmenten assembliert wird.

Die in Summe 27 Stäbe sind aber nicht Einzelobjekte, sondern Komponenten, die ihren skulpturalen Zusammenhalt gleichermaßen durch ihre Formgebung wie durch die akustische Software gewinnen.


Das dabei eingesetzte Funktionsprinzip kann als eine dynamisch geregelte Interaktion bezeichnet werden, was in diesem Fall heißt, daß zwar jeder einzelne Stab animiert ist, sein eigenes, ihm zugeordnetes Event besitzt, die speziell entwickelte Software aus der Gemeinsamkeit der von den Besuchern ausgelösten Aktionen aber stets ein Bewegungs-Gesamtbild der Skulptur errechnet, was diese zu einem übergreifenden Organismus werden läßt.

Ein Ordnungsprinzip, das die Reizantworten im einzelnen wie auch in ihrer Gesamtheit kontrolliert.
Diese Vorgangsweise, die nicht zuletzt auch ein chaotisches, nicht mehr nachvollziehbares Ausufern der Klangereignisse verhindert, bildet die Grundlage der Vernetzung einzelner, individuell reagierender Stäbe zu einem übergeordneten Ganzen. Der Besucher kann mit der Skulptur und ihren Kompositionen in einen Dialog treten, aber auch über die Klangstäbe mit einer Vielzahl anderer Personen kommunizieren.

In dem Maße, in dem die Zahl der in Bewegung versetzten Stäbe zunimmt, werden deren Steuersignale für die Kontrolle gemeinsamer, übergeordneter Musikereignisse herangezogen. Die Stäbe schließen sich zusammen zu funktionalen Einheiten und steuern dann keine autonomen Events sondern nur mehr einzelne Parameter der Komposition.

Wie sich daraus ersehen läßt, wird hier nicht nur künstlerisch ästhetische Gestaltung vorgenommen, sondern der Arbeit mit den zum Einsatz kommenden Techniken zentrale Bedeutung zugebilligt. Aus dieser starken Verschmelzung von gestalterischer Intention und technologischer Realisierung entwickelte sich denn auch die telematische Dimension dieser Skulptur:

Über ein anfänglich nur als Unterstützung für Service- und Wartungsaufgaben vorgesehenes Telefon-Modem konnte von Graz aus jederzeit mit dem in Sevilla installierten Klang-Computer Kontakt aufgenommen und ein Datentransfer in Echtzeit realisiert werden. Die Klangereignisse, die von den Aktivitäten der Besucher des Ö-Pavillons in Sevilla geformt wurden, konnten so über das normale Telefonnetz transferiert und im Prinzip überall auf der Welt zum Erklingen gebracht werden.


Da dabei nicht Klänge sondern nur Steuerdaten für deren Erzeugung übertragen werden, ist das eigentlich zum Erklingen gebrachte musikalische Material nicht endgültig determinierbar, womit die Äußerungsform der Botschaft verhandelbar bleibt und hinter deren Terminologie zurücktritt.
Ein Umstand, der dem Wesen autonom funktionierender, interaktiver Prozesse voll entspricht und dem Streben nach offenen Systemen sehr entgegenkommt.


Doch wieder zurück zum eigentlichen Geschehen in Sevilla:

Das zum Einsatz kommende Klangmaterial entspricht in seiner Auswahl zum einen den spielerischen Möglichkeiten der Interaktion, und zum anderen den sich durch die skulpturale Form ergebenden Möglichkeiten, Klangentstehung und -ausbreitung zu gestalten. Mittels 16 unabhängiger und verteilt im Boden eingebauter Lautsprechersysteme wird der materialhaften Raumstruktur des Werkes eine musikalische gegenüber gestellt.

Musikzitate und Klangmilieus (Soundscapes) werden durch die Aktivitäten der Besucher collagiert; abstrakte Klänge aus den Bewegungen der Stäbe generiert, von den Stäben gesteuert durch den Raum bewegt.


Ein wesentlicher Aspekt kam dabei der erwähnten dynamischen Vernetzung der Stäbe zu:
Jeder Stab orientiert sich in seinen Kompositions-Parametern immer am aktuellen Bewegungszustand der anderen Stäbe. Ähnlich dem Prinzip öffentlicher Meinungsbildung, setzen sich die Klangereignisse der von den Besuchern gerade bevorzugten (d.h. besonders häufig und stark bewegten) Stäbe durch, weniger aktive Stäbe in deren Umgebung assimilieren sich, verzichten auf ihr angestammtes Klangereignis und übernehmen Teilaspekte der vorherrschenden Kompositionsstruktur.

Ein einzelner Besucher (Benutzer) wird in diesem System bei jedem Stab einen individuellen Klang vorfinden; agiert eine größere Anzahl von Personen gleichzeitig, bilden sich thematisch zusammengehörige Klangenvironments. Dies kann soweit gehen, daß nur mehr ein einziges musikalisches Thema vorherrscht, zu dem jeder Stab seinen Teil beiträgt.

Nicht zuletzt durch die freie Programmier- und Austauschbarkeit der digital gespeicherten Basisklänge, eröffnete sich auch bei dieser Installation die Möglichkeit der Verwendung als Musikinstrument. Eine Herausforderung, die zu dem Projekt "puente telefonico" geführt hat.

Equipment


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