DIE HAINBURGER AU IM ZENTRUM VON WIEN

Katharina Riese

im STANDARD (Vorschau auf das Projekt)

    Der amerikanische Klangkünstler Bill Fontana plant für die kommenden Wiener Festwochen ein spektakuläres Projekt: Riesige Wasservorhänge sollen das Kunsthistorische Museum zu den Wiener Festwochen umhüllen.




    Wien - "I am very happy to be in Vienna." Ein sichtlich strahlender Bill Fontana weilte zu Vorbereitungsarbeiten für sein Projekt zu den Wiener Festwochen 1990 in Wien. Noch ist alles in Schwebe. Das Design zu seiner Klangskulptur - am Maria-Theresien-Platz zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum - löst weite Zustimmung aus. Kulturstadträtin Ursula Pasterk und der co-produzierende Hörfunkintendant Ernst Grissemann sind allerdings noch am Rechnen.

    Bill Fontana, 1947 in Cleveland geboren, studierte Komposition und Philosophie in New York. Mit den Tonbandaufnahme, die er sammelte, ohne sie zu schneiden oder auf andere Weise zu bearbeiten, fand er einen Weg zu seinem ganz speziellen Umgang mit den Klängen, die er als Object trouvé behandelt. So einfach seine Erfindung ist - Klänge aufzunehmen und sie in einen anderen lebendigen Kontext zu bringen - so aufwendig sind seine Produktionen, die am ehesten mit Filmen zu vergleichen sind. Eine Vielzahl von Personen und Stellen - die örtliche Post, der Rundfunk und die Verwaltung - müssen zu jedem Projekt verführt werden. Das fertige Kunstwerk ist jeweils nur das Finale.

    Das Schlüsselwort zu Bill Fontanas Kunst - sounding - ist eigentlich unübersetzbar. Sounding meint Auslotung, in diesem Fall Klang und Lot in einem. Mit dem Ausdruck Klangskulptur kommt man Fontanas Arbeiten am nächsten. Bill Fontana fand den Ausdruck Sounding in Marcel Duchamps Anmerkungen zu seinem Großen Glas: "Lasting sounds leaving from different places und forming sounding a sculpture wich lasts."


    Grazer Verstörung

    Bill Fontanas Kunst liegt nicht nur formal außerhalb der gängigen Genres, sie verläßt auch die für die Kunst reservierten Häuser. Das macht sie kostbar - im doppelten Sinn des Wortes - und verletzlich. Erhöht wird die Fragilität seiner Arbeiten durch die stoffliche Qualität dieser Skultpturen. Die von ihm von einem Ort losgelösten und in einen neuen Kontext transportierten Geräusche und Klänge sind weder laut noch leise, aber sie sind, wie Bill Fontana in Hinblick auf seine diesbezügliche Erfahrung letztes Jahr in Graz sagt, unavoidable.

    Im vergangenen Jahr wurden die Grazer/innen im Rahmen des Schwerpunktprogramms Bezugspunkte des steirischen herbstes mit der Geschichte der Stadt im Jahr 1938 konfroniert.

    Der Beitrag von Bill Fontanan zu diesem Projekt, die Sonic Projections from Schloßberg Graz, war in der ganzen Stadt zu hören.

    Vom Schloßberg herunter wurden mittels weittragender Lautsprecher weittragende Töne gesendet: Vogelrufe aus den Regenwäldern Thailands und Australiens, Tempelglocken aus Japan und Nebelhörner aus San Francisco.

    Ihr Eintauchen in die städtische Geräuschkulisse wurde an sieben historisch relevanten Punkten aufgenommen und diese Aufnahmen in den Landhaushof, ehemaliger Sitz der Galuleitung, überspielt, wo sie ihrerseits gebündelt über das Radioprogramm Ö 1 in ganz Österreich zu hören waren.

    Die Art der Klagen über dieses Kunstwerk, daß die Hunde gehindert worden seien, ihr übliches Geschäft zu verrichten, mag in etwa den Horizont der Widerstände erhellen. Im großen und ganzen gingen Satz und Sieg deses kulturhistorischen Mega-Spiels aber an den Kommunikationskünstler Bill Fontana: die Bewohner/innen hatte sich nicht nur an die fremdländischen Klänge gewöhnt, sie wollten noch mehr davon haben.

    Wird Bill Fontana sein Wiener Festwochen projekt 1990 verwirklichen, wird er als politischer Therapeut wider Willlen auch in Wiener Stadtgeschichte eingehen. Inspiriert vom Platz zwischen Natur und Kunst, sollen Maria Theresia und ihre vier Ratgeber nach Fontanas Entwurf die Kangquelle einer Geräuschlandschaft sein, die am ehesten einem gedachten Ur-Zustand vor der Stadtgründung entspricht.

    Gespräche mit Biologen und Naturschützern, Bücher und Filme führten Fontana zu Inseln in einer Naßzonge, zur Au. Ohne vorerst die jüngere Geschichte der Hainburger Au zu kennen, fiel seine Wahl auf dieses Gebiet des geplanten Nationsparks nahe der tschechischen Grenze.

    Nach der Inspektion beider Museen, der Erforschung der möglichen Standorte der Lautsprecher - die Aussicht vom Dach des Museen gefiel Bill Fontana besonders gut - gelangte der Meister zu konkreten Visionen: der Platz soll von beiden Eingängen her, vom Ring und von der Messepalastseite, mit Wasservorhängen vom Verkehrslärm geschützt werden, am Platz wird die Hainburger Au durch mehrere Lautsprecher direkt übertragen, in den Stiegenaufgängen der Museen sollen Vögel - Nachtigallen, die Fontana zu finden hofft - singend in die Kuppeln aufsteigen. Ein Monat lang sollen die Frösche - der vermutlich stärkste Sound aus der Hainburger Au - am Maria-Theresien-Platz als missing-link zum Erdboden, auf dem die Stadt steht, quaken dürfen.

    Bleibt zu hoffen, daß die Sterne diesem Projekt günstig stehen. Fontana (O-Ton): "Die Hainburger Au ist so wichtig für so viele Menschen, es wäre schön, sie käme in das Zentrum von Wien."

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