The History of Art's Birthday



WIENCOUVER 2000


„In 1980, when the modern Fax machine was still an exotic promise and computers either massive mainframes or playthings for the hobbyist, artists in Vancouver and Vienna were collaborating on the first of the projects known as Wiencouver. WIENCOUVER 2000 is not a nostalgic look at the early years of Art+Telcomm but an exploration of the new technology available for artists working in the field as we approach the new millenium“

, heisst es auf der Homepage von WIENCOUVER 2000, das zu einem noch immer andauernden Projekt in progress geworden ist und mit der Art’s Birthday Feier 1999 seinen Auftakt fand. Die jährlichen Art’s Birthday Feiern, die jeweils von Vancouver aus initiiert wurden, ziehen sich seither wie ein roter Faden durch die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Beiträge zu WIENCOUVER 2000.

ART’s BIRTHDAY


„Art's Birthday Party is a celebration in memory of Robert Filliou who declared, on January 17 1963, that Art had been born exactly 1,000,000 years ago when someone dropped a dry sponge into a pail of water. 10 years later he celebrated Art's 1,000,010th birthday in the Neue Galerie, Aachen.

After Filliou's death in 1987 some artists began to celebrate Art's Birthday with mail-art, fax and slow scan tv events in the spirit of his concept of "The Eternal Network" or "La Fete permanente". The Birthday parties took place in different cities across the world and artists were asked to bring birthday presents for Art. -- works that could be shared over the network.

Art's Birthday Party has never been a formal event but was always organised on an ad hoc basis through the network. Every participating location (and they are different every year) organises its own party - from a few friends in a private studio to a performance evening in a museum, gallery or radio station . The only condition is that each group is able to send and receive birthday presents for Art. Since 1994 this has usually meant using the Internet in one form or other.

Filliou's invention of Art's Birthday is wonderfully absurd and humorous in the typical Fluxus tradition of serious fun. So the global birthday party for art has always tried to be fun while paying homage to Robert Filliou's dream of The Eternal Network.“

Robert Adrian 2004

Erstmals hatten österreichische KünstlerInnen 1991 von Wien aus an einer weltweit vernetzten Art’s Birthday Feier teilgenommen. Sie wurde von Hank Bull von Vancouver aus initiiert. Das ganz im Zeichen des internationalen Protests gegen den ersten Golfkrieg stehende Computer-Communication-, Slow-Scan TV- und FAX- Event stand unter dem von Roy Ascott formulierten Motto „Text, Bombs and Videotape“. Die Wiener Aussenstelle mit Robert Adrian, Mathias Fuchs und Silvia Eckermann befand sich in den Räumen des „museum in progress“. 1992 nahmen österreichische KünstlerInnen, unter ihnen Robert Adrian, Seppo Gründler, Horst Hörtner, Winfried Ritsch und Gerfried Stocker von Innsbruck aus an dem wiederum von Hank Bull initiierten weltweiten Projekt teil.

Bei Art’s Birthday 1999, dem Auftakt zu WIENCOUVER 2000, waren das Wiener Funkhaus und die Western Front Society sowie alle drei CITR-Studio in Vancouver und eine Reihe anderer Locations Schauplatz der Geburtstagsfeiern. Im Zeitalter der Streamingtechnologien und der „on air-on line-on site“ Projekte, wie sie seit 1997 genannt wurden, bestehen die internationalen Birthday Parties aus Webcasts, d.h. Live-Audio-, Video- oder auch Datastreaming sowie Chats, obwohl auch Telefonbeiträge und sogar Geburtstagsgeschenke auf Kassette oder CD per Post willkommen waren und sind. Sie werden gewöhnlich on line gestellt und werden so als Material für alle teilnehmenden KünstlerInnen genauso zugängich wie die gestreamten Beiträge bzw. deren schnelle auszugsweise Dokumentation. Kunstradio hatte während solcher Projekte keineswegs immer Sendezeiten zur Verfügung, und so wurde der on air part von Art’s Birthday 1999, 2000, 2002 und 2003 vor allem von CITR FM Vancouver verwirklicht. Der Sender der University of British Columbia feierte in diesen Jahren jeweils mit 24 Stunden Non Stop Radiokunst - etwas, das von öffentlich-rechtlichen Anstalten nur bei Horizontal Radio in einer über die Kontinente verteilten Annäherung erreicht worden ist.

2002 und 2003 produzierte das Kunstradio verhältnismässig bescheidene Beiträge zu Art’s Birthday, dessen Feiern nicht nur von Vancouver aus initiiert, sondern immer häufiger von Peter Courtemanche, dem Medienkunstkurator der Western Front in Vancouver auch mit dem Angebot einer offenen Struktur versehen werden. Peter Courtemanche gehört zu jenen KünstlerInnen, die ihre Arbeit vor allem darin sehen, Situationen zu schaffen, in denen andere aktiv werden können. Courtemanche schlägt nicht nur potentielle mediale Räume, für die er Tools programmiert, vor sondern gerne auch zu Assoziationen einladende Themen, die er aus Science-Fiction Literatur ableitet. Courtemanche entwickelte diese Methode zur Entwicklung von Kollaborationen zunächst in seinen beiden vernetzten „devolve into“ Projekten (2000 und 2002), zu denen er eine beschränkte Anzahl von KünstlerInnen einlud. Die on air- und on site Versionen dieser Projekte kreisten um generative audiovisuelle on-line Installationen, von denen eine immer noch andauert.
2004 wurden die Art’s Birthday Feiern in Vancouver zum Kulminationspunkt eines ganzen Jahresprojekts der Medienkunstabteilung der Western Front. Unter dem Titel „Scrambled Bites“ entwickelte eine kleine Gruppe von artists-in-residence ein kleines Netz von on-site Situtationen, für die unterschiedliche Roboter-artige Apparaturen konstruiert wurden, die von einem on line-tool namens „Scrambler“ getriggert werden konnten, bzw.diesen auch wieder mit Daten fütterten. Nachdem der „Scrambler“ in einer Reihe kleiner Events getestet und debugged worden war, begann die Künstlergruppe mit dem Aufbau eines viel grösseren internationalen Netzwerks von Teilnehmern an Art’s Birthday 2004. Jeder Knoten war eingeladen, eigene on site-Roboter, -Installationen oder -Skulpturen zu entwickeln, die via Scrambler getriggert werden konnten und ihrerseits wieder einen Datastream ausschickten. Peter Courtemanche, der bei seinen Projekt-Konzepten immer wieder frühe und frühere telematische Kunstprojekte zitiert, griff damit eine Frage auf, die seit den Anfängen der Telekommunikationskunst virulent ist: wie wichtig ist es, einem evtl. Publikum am eigenen Schauplatz, neben eigenen Arbeiten nicht nur das zu vermitteln, was simultan an anderen Knoten im Netz passiert, sondern darüber hinaus auch jene Forderung zu erfüllen, die die MedientheoretikerIn Margaret Morse so formuliert hat:
„ Die Aufgabe einer Kunst, die elektronische Gruppierungen und Netze reflektiert, besteht nicht in der Darstellung der sichtbaren Welt sondern im Sichtbarmachen dessen, was der Wahrnehmung unzugänglich bleibt und sehr schwer vorstellbar ist.“ Art’s Birthday 2004 enthielt eine Reihe von Projekten, die einer versuchsweise als „expanded radio art“ bezeichneten Radiokunst zugeordnet werden können, die sich nicht nur mit dem traditionellen Broadcast-Medium und dessen Ausweitungen ins Internet auseinandersetzt. Matt Smith, der als einer der artist-in-residents bei „Scrambled Bites“ mit anderen das sog. Audiomobil entwickelte, beschrieb die Situation, mit der sich (Radio-) KünstlerInnen zunehmend konfrontiert sehen, 2004 wie folgt:

„Radio hat heute viele Erscheinungsformen: es begegnet uns heute nicht nur in Form traditioneller Amateur- und CB Funksysteme, unterschiedlichster Mikro-Transmitter... und selbstverständlich auch in Form von Sendern auf UKW, Mittel- und Kurzwelle sondern auch als Handies, Wireless Local Area Networks und Satelliten- Kommunikation. 100 Jahre nach seinen Anfängen als Kommunikationsmittel für Schiffe, die mit den Küstenstationen in Verbindung treten konnten und umgekehrt,... hat das Radio also wieder zu sich selbst zurückgefunden: die Radio-Übertragung als technologisches Konzept ist nicht nur zum wichtigsten Instrument der ‚person-to-person’ Kommunikation (durch Handies etc) geworden sondern, dank seiner Eigenschaften als am schnellsten wachsender Träger der Datenübertragung (Satelliten und WLAN), auch zu jenem der Kommunikation zwischen Maschinen.“

Die beispielhaft intensiven Diskussionen auf der Art’s Birthday 2004 Mailing Liste beinhalteten u.a. einen intensiven Austausch von Know-How über das Datastreaming, und die spezifischen Schwierigkeiten beim Triggern der vielen unterschiedlichen Geburtstagparty-Apparaturen an den verschiedenen Orten. Zugleich aber bestand Tetsuo Kogawa mit seinem Radio Kinesonus in Tokio, unterstützt vom Kunstradio, darauf, zusätzlich zum Füttern bzw. Abrufen des Scramblers, auch traditionelle Video-und Audiostreams für das Event beizubehalten. Die Projektion dieser Streams vor Ort erwies sich letztlich auch zur Orientierung darüber, wie die Parties an anderen Orten, aus denen nur Daten kamen, als sehr nützlich. Allerdings passiert es - trotz aller Projektionen - bei vernetzten Projekten immer wieder, dass KünstlerInnen, die nicht selbst am Aufbau des Netzwerks bzw. den vorbereitenden on line -Diskussionen beteiligt waren, in ihrer Konzentration auf die Situation vor Ort samt eventueller on air-Versionen auf die Einbindung der Produktion von weit entfernten KollegInnen ganz einfach vergessen. Gerade an den jährlichen Art’s Birthday Feiern lässt sich die unterschiedliche „Netzwerk-Fähigkeit“ der beteiligten KünstlerInnen sowie ihrer heterogenen Kunstbegriffe und ihrer konzeptuellen/intutiven Durchdringung hybrider medialer und realer Kontexte ablesen. Entlang solcher und ähnlicher Parameter liessen sich vielleicht auch einige der immer noch fehlenden Kriterien zur Beurteilung vernetzter Projekte und der Beiträge zu ihnen entwickeln. Doch diese Diskussion steht genauso aus wie jene der Typologie vernetzer Projekte oder der speziellen Problematik ihrer Dokumentation.
2005 hat Art’s Birthday eine interessante Wendung genommen. Zum ersten Mal seit 1996 beteiligt sich die EBU Ars Acustica Gruppe wieder an einem vernetzten Projekt. Sie hat sich vorgenommen, in ihre z.T. einige Stunden dauernden Live-Radiosendungen und auf den beiden ihr temporär zur Verfügung gestellten EBU-Satellitenkanälen auch die Art’s Birthday- Aktivitäten von freien Kunstzentren/Radios und individuellen KünstlerInnen einzubeziehen. Wie weit sie dabei allerdings auf das von Peter Courtemanche und der (immerhin seit vielen Jahren als Initiator von Art’s Birthday Feiern auftretenden) Western Front für 2005 ausgerufene Motto „Reverie: Noise City“ eingehen wird, bleibt zu diesem Zeitpunkt (Anfang Dezember 2004) offen. Courtemanche und eine kleine Gruppe von artists-in-residence der Western Front entwickelten für 2005 eine hybride virtuelle Stadtlandschaft, die u.a. auch von der Alien City der Österreicher M.Breindl, N.Math und A.Sodomka inspiriert ist.
http://reverie.aaeol.ca/ Alle Knotenpunkte von Art’s Birthday 2005 sind eingeladen, sich in dieser Stadtlandschaft anzusiedeln. Mit ihrem konzeptuell und ästhetisch überzeugenden on line Angebot signalisiert die Western Front auch ihre Bereitschaft, die in früheren Jahren vom Kunstradio übernommene Funktion der on line Darstellung und Dokumentation des Gesamtprojektes zu übernehmen. Wahrscheinlicher als die Besiedlung der virtuellen Stadt durch alle - auch die von den Rundfunkanstalten beauftragten - teilnehmenden KünstlerInnen erscheint mir z.Zt. allerdings die Bildung von verschiedenen Art’s Birthday - Subnetzen bzw. Subprojekten, z.T. unter ausschliesslicher bzw. vorwiegender Nutzung des EBU Satelliten durch einzelne Rundfunkanstalten Immer noch bestehen bei vielen Rundfunkanstalten Bedenken in bezug auf die „Sendequalität“ von Live-Streams. . Ob und inwieweit das Kunstradio in den letzten Wochen vor dem Art’s Birthday 2005 seine schon oft erprobte Rolle als Interface zwischen einer institutionalisierten und einer freien Radiokunstszene übernehmen kann und wird, ist noch unklar. Sicher ist, dass „Art’s Birthday 2005“ wie alle vernetzten Projekte erst innerhalb des von den TeilnehmerInnen ausgehandelten zeitlichen Rahmens Laut http://reverie.aaeol.ca/ handelt es sich um den Zeitraum vom 14. bis 17.Jänner 2005. seine, trotz aller Planungen von niemandem voraussagbare oder gar kontrollierbare, Gestalt annehmen wird. Und wie immer wird diese temporäre, unwiederholbare Gestalt selbst für die beteiligten KünstlerInnen nicht in ihrer Gesamtheit sondern nur in Versionen erfahrbar sein....

Heidi Grundmann