Sonntag, 27. Mai 2018, 23:03 - 00:00, Ö1

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RADIOKUNST - KUNSTRADIO



Der Geräuschemacher Max Bauer bei den
Aufnahmen der Drachensounds im Studio RP4. (Foto: Joseph Schimmer)

Manifest 53 / Hymnen wider die Mittellage
Hörspiel von FALKNER.
Mit Merlin Sandmeyer, Fabian Krüger, Sabine Haupt und Max Bauer.
Musik: Manfred Engelmayr, Regie: FALKNER

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Eine Welt, in der die Menschen offenbar in großer Angst vor „DER DRACHE“ leben, einem riesigen fauchenden Drachen, der die Menschen seltsame Rituale der Unterwerfung vollführen lässt. Der Drache nährt sich von der Angst der Menschen, was aber nur Ivan klar zu sein scheint. Ivan hat keine Angst vor dem Drachen. Er weiß, dass der Drache nur „der“ Drache ist, nur die Ablenkung, das Schauspiel, das von den Machenschaften dahinter ablenken soll, der Drache soll sie nur ablenken, ist genau hierfür installiert.

Ivan bezichtigt seine Gefährten Georg und Ida an ihrer Unterjochung mitverantwortlich zu sein und kritisiert ihren ausbleibenden Widerstand. Ein weiterer Vorwurf: keine Ahnung haben zu wollen.

Ivan gehörte früher zum engeren Kreis von „DER DRACHE“. Den einen Schritt, um wirklich dazuzugehören (einen Menschen, ein Kind zu töten), diesen letzten Schritt schaffte Ivan nicht. Er hat in seinen und in des Drachen Augen versagt. Ivan will aussteigen. Der Ausstieg geht aber nur über den eigenen Tod, niemand verlässt den Kreis lebend. Ivan hat mit „DER DRACHE“ einen Pakt geschlossen: er darf aussteigen, wenn er ihm dafür zehn Menschen bringt. Zehn Menschen für seine Freiheit! Ivans Suche brutalisiert sich zunehmend, der Druck diese zehn Menschen zu finden wird immer größer, verzweifelter.

Ivan, Georg und Ida sind Protagonisten, deren Reinheit, Einsamkeit und Tapferkeit rührt. Ida will sich aus dem Spiel ausklinken und zu „Der Mensch“ überlaufen. Georg will im Blut des Drachen waten. Als der Schwächste von den dreien, ergeht er sich erst recht in Drachentöterfantasien. Die Rolle des vermeintlichen „Drachentöters“ erzeugt auf ihn unglaublichen Druck, dem er überhaupt nicht gewachsen ist. Vom Drachen wird Georg verhöhnt. Georg ist groß und berührend in seiner Verzweiflung, er ringt aufrichtig um Mut.

Der Drache braucht Gruppenbildung und Gegnerschaft um optimal agieren zu können. „Manifest 53 / Hymnen wider die Mittellage“ ist eine Parabel auf gegenwärtige Konstellationen. Das Stück verhandelt das Prinzip: solidarische Gruppenbildungen verhindern und die Gegnerschaft zwischen den Menschen zu fördern. Der Drache ist die Ordnung, das System, die Strategie, und er ist völlig verrottet. Er beherrscht und tyrannisiert die Gegend, macht aus den Menschen in die Enge getriebene Tiere. Er ist aber auch ein Verführer, energiegeladen, ein elegantes irrsinnig schönes Viech! Des Drachen Spiel: uns, „Der Mensch“ (als identitätslose Masse im Bemühen gesehen zu werden) in sinnlosen Kämpfen ergehen zu lassen. Rituale der Unterwerfung, um dazu zu gehören zum Kreis, im Kreis bleiben zu können, bleiben zu dürfen, letztlich aufgenommen zu werden. Eine brutale, brutalisierte Erwachsenenwelt, Erwachsenenendzeit. Eine Anklage!
Der Appell an den Hörer:
Sich der Nähe der Angst zur Utopie stellen!
Eine große humanistische Hymne.
Ein Manifest.

Die Attraktion des Stückes ist das Aufeinanderprallen von drei Systemen des sich Äußerns, des sich Mittteilens. Die reduzierte Sprache der Protagonisten Ivan, Georg und Ida. Die Nicht-Sprache des Drachens, sein Fauchen, das wir aber mit zunehmender Dauer des Stücks als Sprache wahrnehmen und deuten. Sowie „Der Mensch“, dieser kann sich nicht in Worten äußern, ist nur als ein unartikuliertes Wogen hörbar, kann halbwegs verständlich „ich“ stammeln – und in der Gegenwart des Drachen bellt er unterwürfig. Unterstützt wird „Der Mensch“ von einem Chor, der sich durch das Stück zieht, der das Stück zu einer Hymne, einem Manifest verwebt.

Der Gestus von „Manifest 53 / Hymnen wider die Mittellage“ ist ein harter, eisiger Überrealismus. Ein schnelles, wildes, hartes Stück. Alptraumhaft dicht, fantastisch, kühn, radikal. Die rational zugängliche Wirklichkeit wird durchstoßen. Einen Überrealismus erzwingen!

Ivan: Merlin Sandmeyer
Georg: Fabian Krüger
Ida: Sabine Haupt
Der Drache: Max Bauer
Der Mensch: Max Bauer
Text & Regie: FALKNER
Musik: Manfred Engelmayr