Sonntag, 6. August 2017, 23:03 - 00:00, Ö1

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KUNSTRADIO - RADIOKUNST






Habitat Sounds
von Brigitta Falkner

sound PLAY

Alles dreht sich um kleine, kleinste, winzige und winzigste parasitäre Lebensformen wie Milben, Läuse, Würmer und ähnliches, aber auch um fleischfressende Pflanzen und Pilze, sowie um deren Wirte und Habitate.



Die in Wien geborene Autorin Brigitta Falkner hat nach Texten und Zeichnungen aus ihrem im Frühjahr 2017 bei Matthes & Seitz Berlin erschienenen Buch „Strategien der Wirtsfindung“, in dem die Sprach- und die Bildebenen kunstvoll miteinander verwoben werden, ihre neue Radiokunstarbeit „Habitat Sounds“ entwickelt. Auch in ihrer Ausstellung, die von Mitte März bis Ende Juni dieses Jahres im Literaturhaus Wien zu sehen war, hat sich die Autorin, die nicht nur Bücher schreibt, sondern auch zeichnet, fotografiert und - basierend auf ihren Bildtexten, Comics und Dioramen – ihre Kurzfilme erstellt, mit parasitären Strategien auseinandergesetzt, indem sie sich dem Thema aus wechselnden Perspektiven, Blick- und Schlupfwinkeln näherte. Von fremdartigen Organismen, die sich jeder anthropomorphisierenden Zuschreibung entziehen, wird bereits Falkners knapp fünfminütiger Film „Strategien der Wirtsfindung“ aus dem Jahr 2013 besiedelt. Die ihren Kurzfilmen zugrunde liegenden Storyboards wurden von Falkner immer wieder überabeitet und für die verschiedensten Räume und Medien weiter entwickelt. So auch Falkners monovokalisches Filmscript „Prinzip i“ („Literatur als Radiokunst“, 1999) und ihr Storyboard für „Habitat Sounds“, wie das klangliche Äquivalent zu Falkners jüngstem, von bizarren parasitischen Lebensformen bevölkerten Buch heisst. Falkners Ästhetik der sukzessiven Durchdringung, Auflösung und Überschreibung folgt hier der Logik viraler Abläufe. Dabei entstehen üppig wuchernde Soundreliefs aus naturalistischen und synthetischen Audiospuren, infektiösen Assonanzen, Alliterationen und Reimen über Saugwürmer, Insektenlarven und Pilzen, fremdartige Mikrofaunen, amphibische Mutanten und lärmende Sauropsiden: „Winzige wanzenartige Wesen wuseln zwischen / den Milzfarnen und Pilzhyphen; / Warnlaute, ein Zischen, / gefolgt von Grunzgeräuschen, / vermutlich Balzrufen / (Vorstufen eines Gesangs?), / entschlüpfen den Stimmköpfen / der taubengroßen missing links / zwischen Sauriern und Vögeln. / Wie bei den Gesängen des Sperlings / (das Ergebnis äonenlangen / Trainings der Syrinx) / lautet die Regel: / der Lauteste siegt. / Steigt der Pegel, / verwischen die Grenzen / zwischen Grunzen und Zischen, / den Lock- und Warnrufen der Urvögel.“



Für „Habitat Sounds“ hat die Autorin u.a. Textmaterial aus ihrem Buch „Strategien der Wirtsfindung“ und dessen filmischen Vorgänger, Falkners gleichnamigem Kurzfilm aus dem Jahr 2013 verwendet und basierend darauf eine eigenständige Textur entwickelt, wobei das ursprüngliche Konzept, die Gedichte von der synthetischen Stimme „Hedda“, einem Text-to-Speech-Programm, sprechen zu lassen und den wissenschaftlichen Kommentar selbst zu lesen, bald verworfen und der poetische Part von der Autorin übernommen wurde, da "Hedda" schon an der korrekten Intonation bei der Wiedergabe einer Gedichtzeile wie „Winzige wanzenartige Wesen wuseln" scheiterte. Der wissenschaftliche Kommentar wurde Heddas lautbildnerischen Fähigkeiten angepasst und teilweise umgeschrieben. Eingebettet hat Brigitta Falkner ihre locker geschichteten Textinseln in einen Fluss aus natürlichen und abstrakten, auditive Kippbilder erzeugenden Ebenen, zwischen denen sie sanft hin und her schaltet.