Sonntag, 3. Dezember 2017, 23:03 - 0:00, Ö1

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KUNSTRADIO - RADIOKUNST





IMAfiction #3: Heidi Grundmann, Image: Edith Schild

30 Jahre Ö1 Kunstradio

1) I'll see you again in 30 years von Roberto Paci Dalò
2) Nicht nur im Kopf von Sarah Washington
3) Phonophantom von Zahra Mani


Exakt vor 30 Jahren ging am 3. Dezember 1987, das erste Ö1 Kunstradio gegründet von der Journalistin und Kunstkritikerin Heidi Grundmann on air. Die erste Sendung beschäftigte sich einerseits mit „Der Audiothek“ bei der documenta 8 und andererseits mit „Europera“ von John Cage.

Von Anfang an hat das Ö1 Kunstradio mit Künstlern und Künstlerinnen aus aller Welt und aus allen Kunst-Sparten zusammengearbeitet. Eine Art on air Galerie, die Radiokunst präsentiert und die nicht nur vorproduzierte, sondern auch live entstehende Arbeiten ausstellt und seit 1995 auch online. Immer waren es Künstler und Künstlerinnen, die mit Projekten und Ideen, die anfangs oft unmöglich schienen, an das Ö1 Kunstradio herantraten.

Schnell wurden die Grenzen der Sendung erweitert in die verschiedensten Kanäle also in andere Radio-, Kunst- und Medienräume. Radiokunst wurde im weitesten Sinn verstanden und erforscht. Auch heute noch gibt es Zusammenarbeiten mit Künstlergruppen, Kunstinstitutionen, Festivals und Vereinen in aller Welt immer mit dem Ziel den Künstlern und Künstlerinnen den Radioraum mit all seinen Möglichkeiten und Erweiterungen als Ort für Kunst zugänglich zu machen.

Für die Jubiläumssendung haben sich der italienische Künstler Roberto Paci Dalò, sowie die britische Künstlerin Sarah Washington entschlossen jeweils eine Radiokunst-Hommage an Heidi Grundmann basierend auf ihrer Stimme zu entwickeln. Und Zahra Mani hat mit ihrem Stück „Phonophantom“ auf die Frage „Was ist Radiokunst?“ geantwortet.



I'll see you again in 30 years
von Roberto Paci Dalò

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Alles begann am 3. Dezember 1987, als das allererste Ö1 Kunstradio auf Sendung ging. Diese Nacht war für mich Tag. Es war während meiner ersten Reise in die USA und ich war in Kalifornien. Mein Nachbar war Neil Young und seine Kühe klopften jeden Morgen an meine Tür auf der Djerassi Fondation Ranch. Ich war total in der Erforschung dieser für mich neuen Welt versunken, während Heidi Grundmann am 3. Dezember zum ersten Mal das magische Wort "Kunstradio" aussprach.

In “I’ll see you again in 30 years” erkunde ich ihre Stimme dieser ersten Nacht. Als Sound-Datenbank benutze ich die „Originalsendung“ (die teilweise John Cage gewidmet war, den ich während meiner ersten USA Reise am 1. Jänner 1988 in seinem Loft in der 18th Street kennenlernte) in Verbindung mit dem Sound aus meinem Film 2007: "IMA Fiction # 03 Heidi Grundmann". Ein Porträt, das vom IMA Institut für Medienarchäologie in Auftrag gegeben und vor Ort in Wien, Vancouver und Hornby Island (British Columbia) gefilmt wurde.

In diesem Film spricht Heidi Grundmann zum ersten Mal auch über ihr Privatleben, wie sie beim ORF zu arbeiten begann und einige äußerst interessante Überlegungen über die 70er Jahre. Ich kombiniere diese beiden Quellen mit Elektronik (einem modularen Synthesizer) und verwende ihre Stimme in bestimmten Punkten als rein akustisch - abstrakte Materialien.

Mein erstes Treffen mit dem Ö1 Kunstradio fand ein Jahr später statt, als ich beim Ars Electronica Festival das Bühnenkonzert "Terre Separate Terre Unite", das Henry D. Thoreau gewidmet und von Giardini Pensili produziert wurde, präsentierte.

Am Morgen nach der Vorstellung frühstückte ich in der Cafeteria des Brucknerhauses, als Heidi sich vorstellte und mit mir eine Tasse Kaffee trank. Ihrer Meinung nach war die Arbeit, die sie in der Nacht zuvor gesehen und gehört hatte, sehr radiophon, deshalb dachte sie über den Auftrag für die Produktion eines Radiokunststückes nach, das im ORF in Wien komplett produziert werden sollte.

Einige Monate später fand ich mich gemeinsam mit Isabella Bordoni und Gerhard Wieser im Studio des Wiener Funkhauses wieder, komponierte und nahm "Segnali radio sulla costa atlantica" auf. In diesem Stück verwendete ich Soundscapes, die ich mit einem Kassettenrekorder in Dublin (1984), Jerusalem (1988) und Rimini (1985-1989) sammelte. Die erste Sendung fand am 26. Jänner 1989.

Ich hatte keine Ahnung, dass diese freundliche Einladung der Beginn eines wahren Sogs war, der mich während fast drei Jahrzehnten kontinuierlich nach Wien brachte. Die Wiedner Hauptstraße und die Argentinierstraße im 4. Bezirk wurden für mich sehr vertraute und wichtige Orte.

Der ständige Austausch von Ideen, Gedanken, leidenschaftlichen Diskussionen (und natürlich Streitgesprächen), Lachen und Tränen mit Heidi Grundmann und Robert Adrian prägte mein Leben und mein Engagement für Radio und Medien. Ich bin für die gesamte Zeit und die Dinge, die wir geteilt haben, mehr als dankbar.
– Roberto Paci Dalò



Nicht nur im Kopf
von Sarah Washington

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Die Wellen rollen herein und die Wellen rollen hinaus. Der Körper am Ufer nimmt einen tiefen Atemzug, die Stimme setzt die Segel im Wind.

Zum Jubiläum des wegweisenden Radiokunstprogramms Ö1 Kunstradio verwenden Mobile Radio die Stimme der Gründerin Heidi Grundmann als Ausgangsmaterial für ihre Radiokunsthommage, in der sie Heidi Grundmann als Inspirationsquelle für die Entwicklung einer lebendigen zeitgenössischen Szene der experimentellen Radiopraxis in den letzten 30 Jahren würdigen.

Dank an Roberto Paci Dalò für Material aus dem Portrait IMAfiction #3 Heidi Grundmann, 2007 und an Anna Soucek für Interviewmaterial, performt von Sarah Washington & Knut Aufermann.




Phonophantom
von Zahra Mani

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besteht aus Feldaufnahmen, Instrumental- und Naturklängen sowie Bassgitarre und live Elektronik.

Es handelt von entkörperten Geräuschen und Stimmen und transformiert den Hörraum mit subtilen, explodierenden Klanglandschaften, die in der Livefassung von Elise Passavants speziell für das Stück entwickelten Visuals unterstrichen werden.

In Bezug auf die europäische Reaktion auf die Flüchtlingsströme 2015 thematisiert das Stück Exil und “ausgesetzt sein” in einer künstlerischen Auseinandersetzung mit Migrantentum, Flucht, Angst und Entwurzelung. Verfremdete Exzerpte von Pasolini, Bachmann und Rilke flackern immer wieder auf, Sprache, Bild und Klang werden zu einem hypnotischen, treibenden Fluss von sensorischen Ausdrucksweisen.

Das Stück wurde im Rahmen von Phonofemme 2015 im Wiener Konzerthaus uraufgeführt. ZM erhielt dafür 2017 den “outstanding artist award für komposition” vom BKA Kunst & Kultur.


Links:
Ö1 Kunstradio 03.12.1987
Heidi Grundmann
IMAfiction
TOWARD A DEFINITION OF RADIO ART
What is Radio Art?