Sonntag, 13. März 2015, 23:03 - 1:00, Ö1

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KUNSTRADIO - RADIOKUNST


sound

Radioradio
von Sergio Messina

sound PLAY Radioradio Part 1

sound PLAY Radioradio Part 2


Der italienische Künstler, Musiker und Radiomacher Sergio Messina betreibt einen Blog in dem er sich mit Popsongs auseinandersetzt. Für sein neues Kunstradiostück hat er einige Songs ausgewählt, die sich mit Radio und Kunst beschäftigen, daraus hat er eine Art Metamix zusammengestellt.



Radioradio - Music Radio as it could be: songs about radio
von Sergio Messina, mit Beiträgen von Andy Caploe, Luca Celada, GX Jupitter Larsen, Steve Piccolo und Tom Sherman

Statement des Künstlers

Es ist an der Zeit, das die Radiokunst das Musik-Radio zurückerobert. Dieses hat immer schon eine sinnliche Annäherung an das Medium beinhaltet, sowie musikalische Klugheit: deshalb wurden die besten Popmusik-Radioprogramme in der Nacht gesendet, und oft war der DJ so wichtig wie die Musik. Die Zuhörerinnen stiegen dabei jedes Mal mit mehr als einer Summe der Einzelteile aus: Musik-Radio war eine auditive, psychische und manchmal nach Innen gerichtete Reise.

Im Europa der Gegenwart besteht Musik-Radio (in der klassischen Bedeutung des Begriffs, also Sprache und Musik) meist aus Playlists, die von Software programmiert werden, um dem Massengeschmack zu entsprechen und begleitet von generischem Gerede. Das Resultat ist, dass die musikalische Bandbreite, die Radio im Jahr 2016 zu bieten hat, kleiner ist denn je. Und das nicht, weil die Hörer eine vereinfachte Radioerfahrung wünschen, sondern weil eine gewagtere Musik-Auswahl sich nicht mit der Hauptzutat von kommerziellem Musik-Radio verträgt: Werbung. In den USA gestaltet sich die Situation anders wegen der endlosen Auswahl an Musikkanälen, die das Satellitenradio bietet: auch nicht gerade abenteuerlustiges Radiomachen (mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen, wie Bob Dylans Theme Time Radio Hour).

Im Internet hat jeder Streaming-Anbieter auch ein „Radio“-Service: Musik, die man mit Sicherheit mag, automatisch generiert auf Basis der vorhergehenden Musikauswahl. Es wird zwar „Radio“ genannt, aber, wie ich andernorts geschrieben habe, „es ist ein Pausen-Füller, eine porno-artige Musikerfahrung (Porno als ein weiterer Bereich, in dem Menschen nur das sehen, was ihnen mit Sicherheit gefällt), Befriedung zum Hören, akustische Tapete – alles, aber kein Radio.“

Von Popstars kuratierte Playlists machen das auch nicht wett. Und aus verschiedenen Gründen finde ich auch Musik-Podcasts nicht besonders aufregend. Ich finde die Idee toll (Musik-Radio, das vom Volk fürs Volk gemacht wird), einige Sendungen höre ich gerne, aber allgemein finde ich die Formate ziemlich langweilig. Außer sie werden von tatsächlichen Radiostationen, wie PBS, produziert, sind Musik-Podcasts nichts anderes als Gerede von irgendwelchen Leuten über Musik und dann die entsprechende Musik (mit Ausnahme von DJ-Sets, was wiederum ein ganz anderes Format und auch nicht neu ist). Man hört eine Reihe toller Songs, aber das Format ist uralt, überholt und oft schlecht ausgeführt. Ich weiß genau, warum, denn ich selbst hatte in den 1980er Jahren drei Mal pro Woche eine live-Musik-Radioshow. Alles, was man tun kann, ist informiert zu bleiben, gute Musik zu spielen und Songs nicht allzu oft zu wiederholen. Interessantes Radio zu gestalten braucht Zeit, und je besser man es machen möchte, desto länger dauert es. Die Produktionskosten steigen, während Podcasts meist kostenfrei sind.

Seit einiger Zeit kuratiere ich eine Website mit dem Titel MOSS (sergiomessina.com/moss), ein thematisches Musik-Mikromagazin, das eine Radioshow sein soll, die man liest, anclickt und anhört. Es ist zugleich auch ein Versuch, das Musik-Radio zurückzuerobern, durch eine konzipierte, digitale Musik-Erfahrung. Ich dachte also, dass ich – Dank dem Kunstradio – das Musik-Radio als Form zurückfordern könnte, indem ich eine meta-musikalische Radiosendung (Radio über Radio) produziere, eine Würdigung von Musik-Radio und Popkultur. Aber nicht das gute alte Radio wird gefeiert, nein, das waghalsige, neue Radio, das alte, konsolidierte Radioformate auf eine hoffentlich anregende Weise erneuert.

Sergio Messina, Amsterdam, März 2016

Link: Project Page


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