Sonntag, 11. März 2012, 23:03 - 23:59, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST





Aus dem Archiv – Teil 5: 

1) „Schlafradio“ von Norbert Math (1993)
2) „Schlummernummer“ von Gertraud Schleichert und Gerhard Mittermayer (1994)
3) „Na gute Nacht“ von Rupert Huber (1994)
4) „Weave“ von Elisabeth Schimana (1995)

ausgewählt von Elisabeth Schimana


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„Schlafradio“ war ein Work-in-progress-Radioprojekt des Künstlers Norbert Math, ein Projekt des Vereins Transit, das aus einer Performance sowie verschiedenen Radiosendungen bestand. Stattgefunden hat „Schlafradio“ zwischen 1993 und 1995. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Kunstradios blicken wir heute auf dieses Projekt zurück – und die Anregung davon kam von der Künstlerin Elisabeth Schimana. Sie wurde – ebenso wie andere Künstlerinnen und Künstler, die die Entwicklung des Kunstradios mitgeprägt haben – eingeladen, aus dem Kunstradio-Archiv eine Arbeit auszusuchen.

Norbert Math ist, gemeinsam mit Andrea Sodomka und Martin Breindl, Teil der Medienkunst-Gruppe Alien Productions. Noch bevor sich die Gruppe unter diesem Namen formte, nämlich 1992, hatte Norbert Math die Idee zu „Schlafradio“: „Ich war damals sehr fasziniert von der Idee von Sampling, dass man Klänge hernehmen kann und in anderen Zusammenhang hinein setzen. Es ist eher ein unbewusstes Arbeiten – man muss sich nicht rational-bewusst Rechenschaft geben. Daraus ist die Idee entstanden, Klänge die auftauchen und verschwinden in ein Stück zu fassen. Wie kurz vor dem Einschlafen, wenn man auch nicht mehr weiß, was hat das eine mit dem anderen zu tun hat und die Bilder symbolisch für sich sprechen.“

Die Sendung, die den Schlafphasen entsprechend aufgebaut war, sollte die Hörerinnen und Hörer in den Schlaf begleiten – das war 1993, als es die Möglichkeit, Sendungen jederzeit online nachzuhören, noch nicht gab. Die Verfügbarkeit von Radio war eine andere. Und es ist anzunehmen, dass sich auch die Funktion von Radio als den Tag strukturierende Instanz, ob zum Aufwachen oder Einschlafen, sich stark geändert hat.



Für die Ur-Version des Schlafradios arbeitete Norbert Math mit natürlichen Klängen und Geräuschen, sowie mit "gefälschten" Aufnahmen von elektronischer Musik aus den 1960er Jahren, wobei die Plattenaufnahmen so manipuliert sind, dass sie nicht mehr zusammenpassen. Die natürlichen Töne und die Aufnahmen sind gesampelt zu hören: „Es war für mich nicht sehr leicht, die Ursprungsounds zu finden. Ich habe dann mit historischen Schellack-Aufnahmen begonnen. Im Lauf des Projektes habe ich auch viel Textmaterial verwendet und mich mit der Periode des Manierismus beschäftigt.“

Die Aufforderung an die Hörerinnen und Hörer lautete, die Radiosendung aufzunehmen und selbst weiter zu verarbeiten. Die Absicht von Norbert Math war, dass sich das „Schlafradio“ wie ein Kettenbrief verbreitet und ständig verändert wird. „Mein größter Plan war eine Art online-Datenbank zu machen, aus der man sich Klänge aussuchen und immer neues Schlafradio zusammenstellen kann. Das ist eigentlich an der nicht-existierenden Technik gescheitert. Das hat es noch nicht gegeben und ich war auch nicht wirklich fit in Technologien der Kommunikation. Oder sagen wir so: es hat noch nicht die Möglichkeit gegeben, was dann mit dem WWW aufgetaucht ist, im elektronischen Text, dass man Links hat und herumflanieren kann. Meine Idee hätte das vorausgesetzt, aber das hat es halt leider noch nicht gegeben.“



Die Ur-Version des Schlafradios, die am 15. April 1993 im Kunstradio gesendet wurde, sollte als über Radio verbreitetes Ausgangsmaterial für folgende Variationen dienen sollte. Der Aufforderung, die Sendung aufzunehmen und daraus neue Folgen des Fortsetzungsprojekts entstehen zu lassen, kam die Hörerin Gertraud Schleichert nach. Ihre Aufnahmen voller Störgeräusche hat Gerhard Mittermayer mit Geräuschen versetzt, die nach Auslöschung klingen. Daraus wurde die „Schlummernummer“.

Nicht nur die Hörerinnen und Hörer wurden eingeladen, das Material weiter zu verwenden, auch Künstler und Künstlerinnen. Rupert Huber etwa arrangierte, als zweite Folge des Projekts, das Stück „Na gute Nacht“, das radiophone Psychogramm eines Menschen, der am Einschlafen gehindert wird. Erstgesendet wurde dieses Folge von Norbert Maths „Schlafradio“ am 28. April 1994.



Das Schlafradio war ein Radiokunst-Projekt in Fortsetzungen, das der Beteiligung anderer Künstler bedurfte, die ausgehend von Norbert Maths Konzept und Klängen weitere Versionen eines Radios zum Einschlafen und Wachträumen schufen. Nicht nur im Radio fand das Projekt statt, sondern auch als Performance im Rahmen eines Sampling Symposiums im Echoraum in Wien. Die Performer, Peter Szely und Christof Cargnelli, lagen in einem Bett gelegen. Mit einem Bio-Feedback-Sensor lösten ihre Bewegungen Projektionen aus, die auf sie drauf projiziert worden sind.

Die letzte Sendung in der Reihe war ein Stück von Elisabeth Schimana, die das „Schlafradio“ für die heutige Sendung vorgeschlagen hat. „Weave“, so heißt das Stück, beginnt mit einer Spieluhr-Melodie und einem Text von Andre Stanley, den er auf Basis früherer Schlafradio-Sendungen geschrieben hatte. Sprache und Klang verdichten sich zu einem Gewebe, aus dem sich neue Klangmuster herausbilden.

Norbert Math hat für die Reihe noch eine „Hypnoerotische Zwischenbilanz“ in Form eines Radiostücks erstellt, doch diese wurde zum Abschluss des Schlafradios, denn, wie der Künstler meint, das Projekt schläft derzeit: „Aus heutiger Sicht finde ich es interessant, dass viele in unserem Umfeld sich so stark beschäftigt haben damit, Ideen und Klänge weiterzureichen und andere teilnehmen zu lassen. Dass man nicht mehr der einzelne Autor ist, sondern auch Dinge freilassen kann, die sich ihren Weg selbst suchen. Eine Sehnsucht nach dem, was das Internet hätte werden können, war sehr präsent. Mit Martin Breindl und Andrea Sodomka bin ich dann ins Kunstradio hinein gekommen und habe entdeckt, dass es sehr viele gibt, die in dem Bereich arbeiten. Das war eine sehr ereignisreiche Zeit! Das Schlafradio war meine Eintrittskarte in diese Welt.“

Links:

15. 04. 1993: "Schlafradio" von Norbert Math

03.02. 1994 „Schlummernummer“ von Gerhard Mittermayr

28.04. 1994 "Na Gute Nacht!" von Rupert Huber

01.06.1995 „Weave“ von Elisabeth Schimana

Zu Schlafradio 

http://transit.tiroler-landesmuseum.at/schlaf/index.html


Reinhard Braun über „Schlafradio“

Norbert Maths Projektseite


Überblick: http://alien.mur.at/sound/



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