Sonntag, 27. Februar 2011, 23:03 - 23:45, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST


 



„Sound map of my mind“

von Etienne Noiseau


Sound & Text: Etienne Noiseau

Übersetzungen: Michaela Ragueneau

Stimme: Uwe Harreck

Visual: Marie Betbèze


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Mit vielen Facetten des Radiomachens und der Radiokunst ist der Franzose Etienne Noiseau vertraut: er ist Produzent und schreibt über Radiokunst, er hat das Experimentalradioprogramm bei Radio Grenouille in Marseille geleitet, und ist Mitbegründer der online-Plattform silenceradio.org und des Blogs Syntone. Er assistiert anderen Künstlern, er organisiert Festivals und er produziert eigene Hörstücke.

Für das Ö1 Kunstradio hat Noiseau nun einen radiophonen Rückblick auf die letzten zehn Jahre seines Lebens mit Sound gestaltet. Über seine Anfänge erzählt Noiseau, dass die Ausbildung als Tonmeister an einer Filmschule seinen Zugang zur akustischen Kunst geöffnet habe. Wie Film, so hat auch Radio viel mit Narration zu tun, und was beim Film über Bilder transportiert werden kann, das vermögen im Radio Geräusche und Klänge zu erzeugen – es braucht also nicht notwendigerweise Sprache, um Geschichten zu erzählen.

Obwohl das Radio durch die Podcast-Revolution überholt wurde, sei er immer noch ein Anhänger von Radio als Medium von Live-Übertragungen, die Unerwartetes und Ungewöhnliches zulassen, sagt Etienne Noiseau. Dass Formate, wie etwa das Hörspiel, dem Publikum vollste Konzentration abverlangen, dass man ruhig sitzen und jedes Wort verfolgen muss, entspricht nicht dem, wie er in seinen eigenen Produktionen den Hörern begegnen will.

Für Noiseau ist es wichtig, die Struktur seiner Radiostücke nicht zu streng zu gestalten und den Hörern Möglichkeiten zum Aus- und zum Einstieg offenzulassen, die Möglichkeit eigene Geschichten zu erhören. In seinem Stück „Sound map of my mind“, in dem er auf die letzten zehn Jahre seines „Lebens mit Sound“ zurückblickt, hat er als roten Faden eine Textebene eingebaut. Gesprochen wird der Text, den Noiseau auf Französisch geschrieben hat und ins Deutsche übersetzen ließ, nicht von ihm selbst, sondern von einem Freund namens Uwe Harreck. Denn: er selbst spricht, laut eigener Aussage, kein einziges Wort Deutsch.

Der Titel „Sound map of my mind“ ist nicht wörtlich zu nehmen, denn, so bemerkt Etienne Noiseau im Interview trocken, Landkarten könne man nicht anhören. Vielmehr geht es ihm um das Aufnehmen von Sounds, wie diese gesammelt, gelagert und in Erinnerung gerufen werden. Es ist also ein Stück, dass weniger persönlich und autobiographisch ist, als man vermuten könnte – der Künstler nennt das Autofiktion.

„Mise en abyme“ ist der Begriff, den Etienne Noiseau zur Beschreibung seines Stücks heranzieht, das bedeutet: eine gewollte Verwirrung der Identitäten von Autor, Erzählperson und Protagonist, statt einer klar lesbaren Selbstanalyse.

„Bereits seit zehn Jahren arbeite ich mit Sound. Ich erinnere mich oftmals berührt, aufgeregt, erschöpft oder überwältigt gewesen zu sein.

Während meiner Beschäftigung mit Field Recordings bin ich auf das Problem gestoßen, dass es zwischen dem, wie Sound gehört wird, und dem, wie ich wünsche, dass gehört wird, eine Kluft ist. Bekannterweise kann Sound sowohl emotional (Musikalität), als auch intellektuell (Information über die Ursache) wahrgenommen werden.

Eine weitere Hürde besteht in der Rezeption der menschlichen Stimme, dieses Instrumentes, das Gedanken ausspricht. Im Radio Stimmen zu hören, ohne auf den Sinn der Worte zu achten, das sind wir nicht gewohnt.

Mein Anliegen ist, Radiostücke zu machen, in denen Sound und Sinn miteinander spielen, ohne Verwirrung. In diesem Stück verwende ich Stimme (und Text) als Leitfaden. Ich wollte meine akustischen Erinnerungen mit meinem Audio-Archiv abgleichen. Ist das Aufnehmen von Sound auch immer Erinnerung?

Als Mischung aus aufgenommenen Erinnerungen und erinnerten Aufnahmen, ist ‚Sound map of my mind‘ eine selbstzentrierte Reflektion auf das Leben in und mit Sound. Wobei ich allen ichbezogenen Radiohörer versichere: mein autofiktives Stück dient vor allem Ihrem hervorragenden Hörvergnügen.“
(Etienne Noiseau)

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