SONNTAG, 10. Juli 2005, 23:05. - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST


» I: radio comic #10: Der Mann - von Josef Klammer und Albert Pall
» II: Das Gibt’s Nur Einmal - von Sabine Hassinger

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radiocomic #10: Der Mann

radio comic #10: Der Mann
von Josef Klammer und Albert Pall

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http://stream.mur.at:8000/kunstradio/mp3/2005A/10_07_051.mp3

[ English Version ]

Ein Autobahnparkplatz, ein Vorkommnis. Sechs Personen, die in unterschiedlichster Weise an diesem Geschehen beteiligt sind, monologisieren seit Radiocomic #7 dieses Ereignis in jeweils einer Folge. In Folge 10 steht ein Mann im Mittelpunkt des Geschehens.

Das Format der Radiocomics zeichnet sich dadurch aus, dass Text und Musik auf eigenwillige Weise nebeneinander existieren, sich zugleich aber gegenseitig ergänzen und, Irritationen in Kauf nehmend, miteinander verkoppeln.



Das Gibt’s Nur Einmal

Das Gibt’s Nur Einmal
von Sabine Hassinger

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http://stream.mur.at:8000/kunstradio/mp3/2005A/10_07_05b.mp3

[ English Version ]

Dieses frühe Soundstück der Autorin und Musiktherapeutin Sabine Hassinger ist ein subjektives Zeitdokument, ein wohltuend unsentimentaler akustischer Abriss jener Zeit, die sie mit PatientInnen am Steinhof verbrachte und arbeitete. Originalaufnahmen der Sitzungen, in denen geplaudert wurde, aber viel mehr noch gesungen, liefern die Basis für diese Arbeit, die zugleich eine Hommage an die betagten PatientInnen darstellt.

Mittels simpelster Technik hat Hassinger künstlerisch in das Material eingegriffen, die Aufnahmen miteinander verwoben, zeitversetzt abgespielt, kopiert. Dadurch entstehen neue Zusammenhänge, eine eigene Dynamik. Immer wieder kehrt die titelgebende Zeile „Das gibt’s nur einmal …“, mal im Chor gesungen, mal alleine vorgetragen. Dazwischen Stimmengewirr, andere Lieder. Das durch Ein- und Ausschalten der Aufnahmetaste des Kassettenrecorders verursachte Klicken ist hörbar, die Technik ist Teil der künstlerischen Umsetzung und rhythmisiert das Stück.

1988 hatte Hassinger, quasi zum Abschied von den Menschen am Steinhof, ein akustisches Denkmal mit dem Material installiert und inszeniert. 2005 hat sie die Originalaufnahmen sowie Aufnahmen dieser Aktion für das Radio adaptiert und neu arrangiert zum Stück „Das gibt’s nur einmal“.

Statement der Künstlerin:

Im Frühjahr 1988 arbeitete ich im siebten Jahr als Musiktherapeutin am Steinhof. Plötzlich bekam ich ein Aufenthaltsstipendium für Berlin und beschloss, meine Tätigkeit am Steinhof zu beenden. Dieser Schritt ist mir nicht leicht gefallen, ich liebte den Ort, die Psychoanalyse und die Auseinandersetzung mit Psychiatriegeschichte und Gegenwart, und vor allem natürlich die Arbeit mit den Patienten.

So habe ich meiner Zeit damals spontan ein akustisches Denkmal gesetzt. Ich erinnere, wie ich in unserem grossen Therapieraum sämtliche zur Verfügung stehenden primitiven Kassettenrecorder über Mehrfachstecker und Verlängerungskabel angeschlossen, in Betrieb setzte; erstmal, um eine Kassette mit den Originalaufnahmen xfach zu kopieren, dann um sie in x Geräten zeitversetzt abzuspielen, während dieser Vorgang wiederum live aufgenommen wurde, um dabei durch Aus- und Einblenden, Vor- und Zurückspulen, die Dynamik und die Inszenierung zu beeinflussen. Ich war extrem fasziniert von dem Material und wie sich beinahe jede Verschiebung der Anschlüsse und gelegentlichen Zusammenklänge wie von selbst ergeben kann, wenn man nur Mut aufbringt. Da ich damals noch weniger als heute dezidiert und tatkräftig produzierte, war es etwas sehr Besonderes so loszulegen, und klar, dass es ganz bewusst einfach in der technischen Darbietung und Verwandlung kommen sollte; gleichzeitig kannte ich aus eigener Erfahrung noch keine anderen Möglichkeiten der Realisierung.

Die Sache spielt sich sozusagen überwiegend im TagesNachtgewand, oder in einem Gewand, das keine Außenwelt erwartet, ab, zwischen Betten, auf mühsam aus den Tagräumen zum Kreis herbeigeschobenen Sesseln; häufig roch es nach Ausscheidungen, doch die Atmosphäre, die dann entstand, löste sich im Wie der Kommunikation weit aus Raum und Zeit, die fernen Inhalte durchmischt mit aktuellem Psychiatriealltag. Es ist ein Unding, dass Menschen im Alter, mit typischen, normalen Problemen des Alterns in die Psychiatrie kommen. Diese Station war wunderbar, speziell engagiertes Pflegeteam und häufig nette Ärzte. Dennoch war auch sie ganz der Steinhof, auf den Stationen gab es wenig Möglichkeit, krankenhausferne Realitäten zu erfahren.

Gerade die Arbeit mit den Alten war für mich hochgradig emotional besetzt, die zarten und tragischen Passagen brauchten die primitive Technik und die Überlappungen umso mehr. Die hier erklingenden Lieder habe ich von den PatientInnen gelernt. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, uralte Schätze aus den vorwiegend Frauen herauszulocken und gemeinsam in eine singbare Form zu bringen; manche sangen ihre Sachen lieber allein, das haben die anderen akzeptiert und beschützt. Einige Frauen sind hier singend zu hören, aus denen sonst kein Wort mehr heraus kam.

Diese akustische Arbeit ist, von meiner heutigen Warte aus betrachtet, ein frühes Beispiel für meinen positiv besetzten Fokus auf das Material selbst und was es mit sich tut. Der Klang der Stimmen und Melodien, die Texte, und im Ablauf die prozesshafte Verschmelzung zu einer Form und Aussage.


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