SONNTAG, 23. September 2001, 23:00. - 24:00, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST




"BOMBUS TERRESTRIS REVISITED #3"

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von Hartmut Geerken



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Dauer: 53'46"
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Für sein Stück "bombus terrestris" das 1998 vom Bayerischen Rundfunk, Hörspiel- und Medienkunst, produziert wurde, belauschte Hartmut Geerken monatelang mit mehreren Mikrophonen ein Hummelnest. Die Tonaufnahmen montierte er ohne jede technische Bearbeitung nach einer handschriftlichen Partitur, die nicht nur die gelben Streifen der Hummel, sondern auch eine Skizze des Nestes und den Strichcode der Kassetten als Vorgabe aufnahm. "bombus terrestris" stellt eine Art Zwiegespräch zwischen Autor und Erdhummeln, aber auch eine Reflexion des Aufnahmemodus dar.

Im Jahr 2000 realisierte Hartmut Geerken ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk "bombus terrestris revisited #1". Über Kopfhörer wurde Geerken "bombus terrestris" zugespielt und dieser fügte live mit seiner Stimme dem Stück eine weitere Tonschicht hinzu. Unter dem Titel "bombus terrestris revisited #2" fand 2001 im Rahmen des ABC Listening Room eine weitere Überschreibung diesmal des Stückes "bombus terrestris revisited #1" statt.

Am 20. September hat Hartmut Geerken auf Einladung des Kunstradios nun in einer Live-Performance im RadioCafe des Wiener Funkhauses (Beginn: 20 Uhr) und auf der Kunstradio-Homepage (Dokumentation) "bombus terrestris revisited #3" realisiert, basierend auf "bombus terrestris", "bombus terrestris revisited #1" und "bombus terrestris revisited #2". In der darauffolgenden Kunstradio-Sendung gibt es eine Radioversion von "bombus terrestris revisited #3" zu hören.

Hartmut Geerken: "Da die unveränderliche Form eine offensichtliche Illusion des Abendlandes ist, begebe ich mich erneut in ein Hummelnest hinein und zwar in die festgelegte Produktion meines Hörspieles "bombus terrestris" von 1998. Ich versuche ein weiteres mal mit den Insekten bzw. deren archivierten Stimmen spontan Kontakt aufzunehmen. Wahrscheinlich ist diese Aktion eines Interspecies-Gesprächs einer der bescheidenen Versuche, die abweisende Haltung des Abendlandes dem Fluss der Dinge gegenüber zu überlisten. Es gehört zum arroganten Selbstverständnis des Menschen, dass er nur das unter Sprache versteht, was er versteht. dabei ist das summen & brummen der Hummeln eine der ältesten Sprachen auf diesem Planeten. Die Hummeln haben gesummt & gebrummt lange bevor der Mensch seinen ersten Laut von sich gab. Weltweit gibt es etwa 500 Hummelarten, davon sind 63 in Europa beheimatet, davon wiederum 46 im deutschsprachigen Raum und 31 im deutschen. Die "bombus terrestris", die große Erdhummel, ist in Deutschland wohl die häufigste Hummelart.

Flügel, die das Mikrofon kurz berühren oder Hummelbeine, die flüchtig darüber hinwegkrabbeln, erzeugen die Akustik eines unscharf eingestellten Radiosenders. Es bleiben nur die Zischlaute übrig. Beim genauen Hinhören entdeckt man Metasprachen, von denen die Hummeln wahrscheinlich nichts ahnen. Zeitzeugen berichten, dass das Geräusch der sterbenden in den Gaskammern von Auschwitz an das Summen & Brummen eines Bienenstocks erinnert habe. Jeder Hörer entdeckt wieder andere Metasprachen und hört damit jeweils sein eigenes Hörspiel. Die Tonaufnahmen für "bombus terrestris" kamen auf unterschiedliche Weise zustande. Die Stereomikrofone wurden an verschiedenen stellen um oder im Nest placiert. Die dadurch entstandenen verschiedenen Soundqualitäten habe ich übergangslos aneinander, aber nicht übereinander montiert".


Statement von Hartmut Geerken



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