In Petra Ganglbauers Hörstück symbolisiert die Nomadin nicht bloß ein "weibliches Prinzip", sondern - unabhängig von
geschlechtsspezifischen Deutungsmustern - die Manifestation einer
Haltung allgemein. Sie bringt sich unablässig ins Spiel, verkörpert Wechselhaftigkeit, Verzerrung und Entwicklung, sie beschreitet Wege mit ungewissem Ausgang, sie liebt die Zerstreuung, das Experiment, die Möglichkeit. Sie steht für das offene System, das durch bestimmte Geräusche und eine Stimme repräsentiert wird. Die zweite Ebene des Stücks steht dazu im Gegensatz: sie gibt sich als geschlossenes, hermetisches System zu erkennen, getragen von einer metallen tönenden Stimme und von Geräuschen, die das Ende von Träumen, Hoffnungen und von offenen, zukunftsträchtigen Verläufen signalisieren. Petra Ganglbauer: "Die Nomadin steht (auf einer weiteren Handlungsebene) aber auch für das Individuum, für das verunsicherte Einzelschicksal im Zeitalter des kollektiven Massenvoyeurismus".
Die Nomadin wandert durch verschiedene Geräuschwelten, die dem von
ihr repräsentierten System zuzuschreiben sind, durchquert aber
auch akustische Zonen, die dem geschlossenen System angehören. In
urbane Geräusche mischen sich unmerklich, später aber
zunehmend, Naturlaute: Wind, der durch Bäume streift,
Blättergeraschel, Vogelgezwitscher. Diese ländliche Akustik
geht unmittelbar in jene des Meeres über, bis sich aus den immer
stärker werdenen Wellen-und Windgeräuschen schließlich
wiederum Stadtgeräusche heraushören lassen: ein
Geräuschkreisel setzt ein, die verschiedenen Klangwelten wechseln
sich in der Folge immer schneller ab. Am Ende aber folgen
Geräusche, die zu einem Endpunkt führen -
Todesgeräusche: Panzerkolonnenlärm, Schreie, Hilferufe und
Schüsse. Sie bestimmen auch das Geschehen im Rahmen einer anderen
Hörsequenz: |
Abseits von musikalischen Modestrends und Klischees, die sich auf subkulturelle Strömungen und Bewegungen in Seattle beziehen (z.B.
"Generation X"), hat Amy Denio eine radiophone Komposition aus
Tönen und Klängen aus dem akustischen Umfeld verschiedenartiger Erscheinungen und Phänomene der Stadt realisiert. "Seattle hat so viele verschiedene Subkulturen und Ausdrucksformen, die in den Straßen der Stadt zur Geltung kommen", erläutert die Autorin die Auswahl des Klangmaterials für ihr Stück.
Mit ihrem Tape-Recorder suchte sie das Universitätsviertel und den
großen Marktplatz auf. Auf ihrer akustischen Entdeckungsreise
durch diese Gegenden der City gelang es ihr, eine Vielfalt an
natürlichen Rhythmen und interessanten Tönen
aufzuspüren. Die Schritte der Passanten, die Geräusche einer
Maschine, die am Postamt Quittungen druckt, der Lärm, der aus
einer Videospielhalle dringt, das Dröhnen einer metallenen
Brücke, wenn sie von Autos befahren wird, die Gespräche mit
einem alten Geschäftsbesitzer, der vor 60 Jahren seine Heimat
Italien für immer verlassen hat, der Gesang eines Mannes am
Fischmarkt - aus all dem und aus einigen anderen akustischen
Eindrücken "konstruierte" Amy Denio ein Stück musique
concrete. |