Komposition und Realisation : Mauricio Kagel
Produktion: Westdeutscher Rundfunk 1977
Der Deutsch-Argentinier Mauricio Kagel (Jahrgang 1931), Komponist,
Hörspielautor, Regisseur und Musikpädagoge, gewann mit "Die Umkehrung
Amerikas" den PRIX ITALIA 1977.
Für Mauricio Kagel ist Geschichte nichts Totes, das in Vergessenheit
geraten kann: "Man muß aus ihr die Lehren ziehen und zwar politisch,
moralisch, als auch ästhetisch".
In "Die Umkehrung Amerikas" nimmt dieser Grundsatz Gestalt an. Die 19
Millionen Opfer unter den Ureinwohnern Amerikas, die während der ersten 30
Jahre der Conquista, der spanischen Herrschaft in Zentral-Mexiko,
dahingemetzelt wurden, erhalten in diesem Hörspiel ihre Stimme wieder.
Ihre Anklage, ihre Angst- und Todesschreie machen den Zuhörerm begreiflich, auf
welch blutgetränktem Boden, auf welchen Bergen von Völkermordopfern die
diesjährigen Jubelfeiern zur Entdeckung Amerikas begangen werden. Mauricio
Kagel: "Dieses Hörspiel ist ein Tatsachenbericht der sich wiederholenden
Geschichte der Genoizide. Eigentlich könnte es auch in den täglichen
Nachrichten gesendet werden."
Wer diesen Völkermord überlebt hat, wurde unterworfen, gedemütigt bis ans
Lebensende: der Autor läßt die Indios davon berichten. Mit gebrochener Stimme erzählen sie von der Zwangsmissionierung, vom "Gottesdienst" der Europäer, der ein "Goldesdienst" war, vom Aufzwingen einer fremden Sprache und Kultur. Wie
menschenverachtend und demütigend diese sprachliche "Zivilisierung"
gewesen sein muß, läßt der Autor seine Hörer erahnen: gepreßt und gequält
artikulieren die Indios die fremden Laute und Wörter. Der Verlust ihrer
eigenen Sprache und Kultur ist bereits vorprogrammiert.