Eine Einführung in das Gesamtprojekt von Helga Konrad
"Das Projekt "Zeit-Radio-Zeit" ist ein Versuch im Rahmen unseres Schwerpunktprogramms Zeit das Medium Radio für künstlerische Unternehmungen zu erproben. Die steirische Kulturinitiative ist eine Institution die produzierende Künstler und Künstlerinnen aller Sparten einlädt, über ihre Arbeit zur aktuellen Lebensproblematik Stellung zu beziehen. Sie will mit der Schaffung atmosphärischer, klimatischer und finanzieller Voraussetzungen für das Entstehen von Kunst ein Experimentierfeld im kulturellen Bereich eröffnen. Das heißt, die steirische Kulturinitiative trägt mit den Künstlern das Risiko beim Enstehen von Kunst mit. Zudem bedeutet ihre programmatische Verpflichtung, künstlerischen Einsatz kulturell zum Einsatz zu bringen, automatisch die Überprüfung dessen, was unter Kunst gleichermaßen noch wirksam und verstanden werden kann, da die Wertung kultureller und künstlerischer Inhalte der Zeit unterworfen ist. Das bedeutet wiederum die permanente Überprüfung unserer Kultur auf ihre gesellschaftspolitischen, sozialen und insbesondere technologischen Bedingungen hin vor dem Hintergrund der Veränderung. Zeit wie wir sie verstehen, erklärt sich mithin im Gegensatz zu einer wertfreien Definition eines kontinuierlichen Fortschreitens innehalb dessen sich alle Veränderungen vollziehen, als Ausdruck allgemeiner Ereignisse die in einer Wechselbeziehung stehen. Die Bedingungen mit denen uns Zeit konfrontiert, verdeutlichen unter anderem, daß in dem Maß zunehmender Information die unsere Gesellschaft zur Informationsgesellschaft gemacht hat, die materiellen, traditionellen Formen der Ästhetik an Sinn und Wirksamkeit verlieren.
Die bemühten ewigen Werte der Kunst sind längst in Frage gestellt und widerlegt worden. Man vergleiche nur die verfallenden Monumente der Ewigkeit, wie die ägyptischen Pyramiden oder die Gemälde der alten Meister, mit den tatsächlich in alle Ewigkeit, ins Unendliche ausstrahlenden Radiosendungen seit 1936. Die bekannt geglaubte Welt ist fremd geworden. Nur wenige Begriffe aus der Vergangenheit können wir noch verwenden. Sogar die Worte haben ihren Sinn mit den Werten verändert. Vor dem Wissen um die menschgemachte Radioaktivität und dem Phänomen der Schizophrenie beispielsweise hat sich die einst selbe Bedeutung zweier Begriffe - Atom und Individuum nämlich - unteilbar als haltlos erwiesen. Dieses Beispiel aus Christa Wolfs Buch "Störfall" ist nur ein weiteres für viele Gründe Werte zu hinterfragen die lange Zeit als gesichert gegolten haben und für Wert befunden worden sind, bewahrt zu werden. Die konservative Haltung endet dann zwagsläufig in Ignoranz wenn der Kontext in welchem Werte gesellschaftlich, moralisch oder erkenntnistheoretisch eingebunden waren sich ändert. Radioaktivität meint jedoch nicht nur die meßbare, todbringende Strahlung und in einem anderen freundlicherem Sinn eine Dienstleistung des ORF. Radioaktivität meint auch eine globale in ihrer Ausstrahlung astronomische Größe der Information. Als solche ist sie Leben bestimmend also Kultur bildend. Die Kunst, will sie in diesem Kontext weiterhin eine erhebliche Qualität bleiben, kann sich dieser Tatsache und den ihr eigenen Möglichkeiten nicht verschließen. Ignoranz wäre die denkbar schlechteste Basis für ästhetische Programme wie für politische. Sich diesen Möglichkeiten zu widmen, schließt die Hinterfragung gesellschaftlicher Implikationen mit ein. Die Adequatheit der Darstellung ist, wie Ästhetik im Sinn einer werttheoretischen Disziplin, an die Kultur und an diese gesellschaftlichen Bedingungen gebunden. Zum Thema stehen innerhalb der Sendereihe "Zeit-Radio-Zeit" in erster Linie das Radio als Informations- und Unterhaltungsinstrument ebenso wie als öffentliches Möbel im privaten Raum, als künstlerisches Werk- und Wertzeug, Publikationsmedium sowie der andere Umgang mit ihm hinsichtlich der genannten Aspekte. Andere Informationen, andere Klänge, andere Hörbilder - das bedeutet nicht die bloße Andersartigkeit zum Stil zu erheben, sondern eine Erweiterung dessen, was ohnehin Aufgabe des ORF ist in einen Bereich hinein der zu seinen Aufgaben zählen könnte."