KUNSTRADIO


"Nord-Süd-Dialog"


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Ein Naturlautgedicht von Georg Jappe
mit ausgewählten Naturaufnahmen 1980-88



Der Kölner Kunsthistoriker und Hobbyornithologe Georg Jappe dokumentiert weltweit die Natur und ihre Geräusche. In seinem "Nord-Süd-Dialog" reihte Jappe seine Tonaufnahmen nach geographischen Gesichtspunkten, wobei die realen Orte und deren Geräusche sich nie so nahe beisammen befinden, wie in diesem Hörstück.

Es kommen zu Gehör:
  • Fischadler am Horst in Nordfinnland
  • Balz der Schwarzspechte im Watt
  • Seeschwalben
  • Vogelfelsen
  • Unkenrufe bei heraufziehendem Gewitter
  • Mauersegler und Fledermäuse
  • die Nacht hörbar machen durch Waldkäuze in allen Varianten,
  • Schleiereule,
  • Füchse,
  • Nachtschwalbe
  • Übergang in einen Alpenmorgen mit Hausrotschwanz, Raben und warnendem Murmeltier
  • Schafglocken
  • Spatzen, die still halten, wenn Kinder erscheinen
  • Standuhren und Fliegen
  • Zickaden
  • tropische Grillen
  • Papageien
  • Urwald am Orinoko
  • Urwaldfrösche
  • südamerikanische Großstadt-Insekten

"Wann haben Sie zum letzten Mal den Spatzen zugehört. Schon als Kind hätte ich gerne gewußt,was sie sich zu erzählen haben. Sie sind wahrscheinlich der Ausgangspunkt für dieses Naturlautgedicht. Wir sind von vielen Sprachen umgeben auf die wir nicht hören. Manchmal frage ich mich wie der Heilige Gottes Wort den Eichhörnchen nahegebracht hat, die ihm, wie an der Kirchenwand von Assisi deutlich zu sehen, gebannt zuhörten. Auf Latein oder Toskanisch hätte ihnen das Heil allzu menschlich allzu gefährlich geklungen. Die Sprachen der Vögel und Frösche, Fledermäuse und Murmeltiere führen so selten einen Dialog wie menschliche Fremdsprachen zueinander. Bei allem individuellen Reichtum gibt es aber in den Grundrhythmen und Stimmlagen erstaunliche Korrespondenzen, gerade bei Arten, die sich nie begegnen."

"Offenbar ist das Reservoir an optimalen Kennlauten und Signalrhyhtmen nicht unbegrenzt. Ohne sie irgendwie zu manipulieren oder zu verfremden, kann man die authentischen Stimmen strukturieren zu einem Naturlautgedicht. Vorausgesetzt sie haben eine klare akustische Gestalt, d.h. sie müssen einerseits hoch differenziert sein, andererseits isoliert. Deshalb waren die menschlichen Motoren, die flächendeckenden Flugzeuge der ärgste Feind dieser Belauschungen. Was Klarheit für das Sehen ist Stille für das Hören. Das Lauschen ist im Medium präsent. Das Medium macht auch die Ferne, die Distanz zwischen Mensch und Natur hörbar. Wenn die Stimmen fremd sind, werden die dazugehördenden Landschaftsbilder von der Mitternachtssonne bis zum Kreuz des Südens nicht evozieren können. Aber auch er wird die Einsamkeit des Nordens und die Dichte der Tropen Nacht und Hitze hören können, es kann ein weltweiter Dialog im Kopf entstehen."


Georg Jappe



1989 CALENDAR 2