KUNSTRADIO


"Die dunkle Seite des Radios"


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von Armin Medosch

"Happy Radio" - die Kunst der Verkaufsziffern und der Pop-Art des Radios
Die Meinungen, die in dieser Sendung von Armin Medosch ausgeführt werden, decken sich nicht immer mit denen der Redaktion
In "Die dunkle Seite des Radios" werden Ideen, Musik und Theorien von Künstlern vorgestellt, die abseits von moralischer und ästhetischer Traditionen eigene Vorstellungen ausdrücken, verarbeiten und darstellen. Ihre Arbeiten lassen sich nur in den seltensten Fällen in die mittlerweile aufgestellen und etablierten Klischees der Avantgarde einordnen. Sie befinden sich außerhalb des Anspruchs, "Kunst" zu sein. Die vorgestellten Werke sind ein subjektiver Querschnitt durch die am wenigsten repräsentierte, die "dunkle" Seite des Radios.

"Industrial Music" und damit verbunden die Gruppe "Throbbing Gristle" führte Mitte der 70er Jahre zur Begründung einer neuen experimentellen Musikkultur aus dem erweiterten Kontext der Punk- und Underground-Rockszene. "Wir sind an Information interessiert und nicht an Musik als solcher" (Zitat Throbin Christle). Die verleugnete dementierte Information, die Extrempunkte menschlicher Erfahrung- Folter, Qualen, Bewußtseinsmanipulation, Kontrolltechniken, KZ-Verhalten, die Psychopathologie des Sexualmörders und die Alptraumhochzeit zwischen Sex und Technologie, die das 20. Jahrhundert kennzeichnet. "Throbin Christle" wollten ein akustischen Territorium ausloten, in dem offene Grausamkeit, die unterschwellige Manipulation und die Zweigesichtigkeit der Machtausübung im 20. Jahrhundert Hand in Hand gingen.


(Sound in Arbeit)"i.w.m." von "Throbbing Christle"
Inspiriert von der Erforschung der Endorphine, jene körpereigenen Drogen, die in Streßsituationen in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden, versuchen "psychic-tv", die Wahrnehmungsschwelle ihres Publikums zu unterlaufen und es in eine drogenähnliche Tanzextase zu heben.
(Sound in Arbeit)
Einer strengeren Auffassung von Wissenschaftlichkeit verpflichtet hat sich die Gruppe "Hafler Trio", die von einer direkten Perzeption ausgeht im Unterschied zur gefilterten Wahrnehmung. Ursprünglich sehr leise Geräusche wie die des Blutkreislaufs werden auf spezielle Tonanlagen übertragen, sodaß eine subliminale Wirkung zustande kommt.
(Sound in Arbeit)
Der Vortrag von Dr. Friedrich Kittlers beim Grazer Kunstradio-Symposion belegte schlüssig und fundiert die Entstehung des UKW-Radios aus dem militärischen Nachrichtenwesen. Unter Hitler war das Radio wahrscheinlich die wichtigste Waffe der Propagandamaschine. Der Staat verkörpert sich im Radio in Form des Mediengesetzes und sichert sich seine Interessen ebenso wie es die Wirtschaft als zahlender Interessent von Werbeeinschaltungen tut. Direkt ausgeübte Zensur gehört der Vergangenheit an. Zur indirekten Zensur gehören heute der gute Geschmack, das Wahren und Respektieren religiöser Gefühle und schließlich die Einschaltziffern und Quoten.

In Österreich gibt es im Unterschied zu anderen Ländern kein Minderheiten-Radio wie das "Coop-Radio" in Vancouver, für das beispielsweise G. X. Jupiter-Larsen mit seinen "Haters" arbeitet.

Würde ein Radiogerät explodieren, wenn man bestimmte Stücke im Radio spielt? Würden Regierungen stürzen durch das Senden spezieller Stücke? Was passiert mit den Grauzonen menschlichen Daseins in der medialen Öffentlichkeit?

"spk" ist der Name einer englischen Band, der vom Namen einer Gruppe von Geisteskranken abgeleitet ist, die inspiriert von der Baader-Meinhoff Bande ihre eigene terroristische Zelle gründete mit dem Slogan: "Töte, töte, töte - für den inneren Frieden und die geistige Gesundheit". Die Mitglieder dieser Gruppe, das "Sozialistische Patienten Kollektiv" sprengten sich selbst in die Luft, beim Versuch, in der psychiatrischen Anstalt eine Bombe zu bauen.


(Sound in Arbeit)
Das was Mitte der 70er Jahre mit "Throbbing Christle" begonnen hatte, hat sich längst in eine Vielzahl von Richtungen entwickelt, die kaum noch mit Schlagworten belegt werden können.
(Sound in Arbeit) Die Gruppe "Test Department"
(Sound in Arbeit) Die Gruppe "Controll Bleeding"
"Control bleeding" aus den USA irritieren durch ihre Mischung aus New Age und Kindermusik.
(Sound in Arbeit) Die Gruppe "Coil"
Die Musik dieser Bands wird im Gegensatz zur Rockmusik erst aus einem außermusikalischen Umfeld verständlich. Literarisch lassen sich Querverbindungen zu William Boroughs schlagen sowie zum Science-fiction Genre allgemein. Daneben gibt es eine Affinität zur Performanceund Installationskunst wie zum Avantgarde-Film und den neuen Tendenzen im Videobereich.

"Research" ist ein amerikanisches Magazin, welches mit zunehmenden Erfolg die Underground-Szene aufarbeitet. Seit 1980 erscheint "Force Mantel" herausgegeben von der in Antwerpen ansäßigen Gruppe "Club Moral". Das Layout des Magazins, außen braun und innen schwarz, ist bestimmt von einer obskuren Ikonographie und voll mit satanistischen, religösen und mittelalterlichen Symbolen im harten Underground Comic-Stil. Neben Berichten und kunsttheoretischen Schriften fördert das Magazin jede Form von Text und Graphik, die das Extreme suchen.

Der australische Künstler "Stellarc" ist für seine extremen Performances bekannt. Ausgerüstet mit einem Roboterarm als künstliches Glied und Laserstrahlen, die aus den Augen zu kommen scheinen, oder jene Auftritte, bei denen er an Fischhaken aufgehängt frei im Raum schwebt. "Stellarc" beschäftigt sich mit Technologie und seinen Möglichkeiten, den Körper technologisch zu verbessern. Künstliche Gliedmaßen, implantierte Elektroden und Transistoren und so sogenannte Biochips, die eine Verbindung zwischen einem menschlichen Gehirn und einem Computer möglich machen sollen. In seinen Performances will er zeigen, wie sich der Mensch dem Zeitalter der Raumfahrt anpassen kann. Nach "Stellarcs" Ansicht sind unsere Körper im Vergleich zur neuen Technologie veraltete Systeme. Künstliche Intelligenz, Robotersysteme und Genforschung haben Dialektik in Gang gesetzt, die weg von der Erde in den Raum führt. Das Raumzeitalter brauche den Raummenschen. Diesem würden sich neue innere Hohlräume und Erlebnisfelder öffnen in einem technologisch transzendierten Körper. Der Künstler tritt als Evolutionsführer auf, als beispielgebender Körperdesigner. Die gezielte Mutation dessen, was man als naturgegebene menschliche Form sieht erscheint "Stellarc" unumgänglich.



1989 Calendar 1