"In Australien ist Radio vor allem ein Katalysator für eine Vielzahl von
schöpferischen Initiativen. Radiokunst oder Sound Art ist in Australien
also etwas, daß man als radiophone Ausdehnung von gewohnteren üblicheren
Kunstformen betrachten könnte. Radio hat 3 Funktionen: Es ist einmal eine
Möglichkeit der technologischen Massenkommunikation. Zum zweiten bietet es
die Möglichkeit technologischer Inovationen und zum dritten hat es das, was
ich einen konzeptuellen Einfluß nennen würde. Radiokunst bringt die
Live-Performance dazu, auf eine andere neue Art zu funktionieren und zu
agieren. Aufä ähnliche Weise führt Radio auch zu neuen Formen der Kritik.
Das ist gerade für Australien sehr wichtig, denn über das Radio ist ein
kritischer Diskurs zwischen Schriftstellern und Dichtern entstanden, die
sehr weit von einander entfernt leben. Ähnlich wie die bekannten Fliegenden
Ärzte in Australien eine ander Art von medizinischer Versorgung entwickelt
haben, in der schon einmal via Telefon ein Blinddarm operiert wird, ist
durch die Radiokunst eine neue Arbeitsweise für Dichter entstanden. Eine
Arbeitsweise, die ein breiteres Publikum erreicht. Wenn Leotard z.B. meint, daß die zeitgenössische Sensibilität weit über die materielle Realität in den Raum hinausreicht, dann könnte man vielleicht sagen, daß Radiokunst sehr bezeichnend ist für eine neue räumliche Logik, eine neue Radiologik, eine neue Klanglogik. Diese Entwicklungen sind ein sehr positiver Aspekt der postmodernen technologischen Kreativität. Während viele australische Künstler und Autoren zur Zeit die Verwendung von Technologie aus politischen Gründen ablehnen, ist die Radiokunst samt der kritischen Auseinandersetzung mit ihr in Australien sehr lebendig. Getragen wird sie vom Enthusiasmus einiger weniger in der ABC und in einigen alternativen Radiostationen, sowie mit dem Enthusiasmus der australischen Soundkünstler. Weit entfernt vom Zynismus und Nihilismus einer akopolyptischen Strömung der postmodernen Kunst und Theorie, scheinen australische Radioleute und australische Radiokünstler voller Vertrauen auf die positiven Möglichkeiten ihrer Kunst zu sein." Der Literaturwissenschaftler Nicholas Zurbrugg versuchte eine Definition von Radiokunst: Er ging von dem Unterschied zwischen in der Realzeit ablaufender Kunst und der in Tonstudios entstehenden Kunst aus, bzw. von Mischformen zwischen Realzeit und Studiokunst. Realzeitkunst also Performances mit Musik, Sound und Stimme, nannte Zurbrugg präradiophones Material. Mischformen aus aufgezeichneten und Live-Elementen wie z.B. Audioinstallationen oder Videoinstallationen oder Live-Multimedia- Performances sind für ihn postradiophon. Die Radiokunst im engen Sinne sieht Zurbrugg beschränkt auf Kunstformen die sowohl, was ihre Konzeption als auch ihre Realisierung und Distribution betrifft von der Radiotechnologie abhängig sind und ausschließlich radiophones Material und radiophone Kompositionsmethoden verwenden. |
KUNSTRADIO AUSTRALIEN-SCHWERPUNKT 1989 Soundart und Radiokunst in Australien |
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