KUNSTRADIO


"Rabiate Simultaneität"


Ein Radio-Essay von Fritz Ostermayer zum 100. Todestag von Georges Ives,
dem unbekannten Vater eines sehr bekannten Sohnes



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(Ausscnitt: Dauer 2'52")

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Georges Ives - Avantgardekünstler, Vorkonzeptkünstler, Vordadaist und Dorfkapellmeister - erfand den musikalischen Dadaismus, ließ dem Zufall freien Lauf und erhob das bewußte Scheitern zum künstlerischen Stilmittel. Wie etwa in seinen Simultanmärschen, als er um 1880 zwei Blasorchester an zwei gegenüberliegenden Enden des Dorfes aufstellen ließ und beiden die Order gab, in Richtung Ortsmitte zu marschieren und dabei einen Marsch zu blasen. Dies jedoch ohne daß die beiden Kapellen voneinander wußten.

Simultanität in der Kunst, als Verdoppelung von homogenem, gleichartigen Material aber auch das gleichzeitige Aufeinandertreffen heterogener Klangquellen und das Fehlen eines logischen Informationsaustausches zwischen den einzelnen Elementen und Instrumenten verweist nicht nur auf Dada, sondern auch auf die theoretischen Überlegungen zur Simultanität eines Duchamp, Cage oder Fluxus.

Charles Ives der Sohn von Georges Ives verdeutlichte in seinen Memoiren das Musikverständnis des Vaters anhand einer Geschichte: "Einmal wurde Vater gefragt, wie er es ertragen könne, das J.B. auf den Campmeetings so laut und falsch singe. Seine Antwort war: J.B. ist ein ausgezeichneter Musiker. Achten sie niemals zu sehr auf die einzelnen Töne. Wenn sie das tun, werden sie die Musik verpassen."



1988 CALENDAR 2