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Radiokunst von Bildenden Künstlern

Sound in der Arbeit des Künstlers Terry Fox


Terry Fox, 1943 in Seattle geboren, ist immer ein Außenseiter des vom Markt bestimmten Kunstbetriebes geblieben. Trotzdem war er mehrere Male bei der Documenta in Kassel vertreten und war Stipendiat des DAAD in Berlin. Er hat in Museen und Gallerien in ganz Europa und Nordamerika ausgestellt und gearbeitet und daneben lehrt er am San Francisco Art Institut. Terry Fox wird immer wieder als einer der Begründer der Body-Art genannt. Seine konsequente Arbeit an Zeichnungen, Skulpturen und Performances, sein radikaler und doch behutsam, liebevoller Umgang mit seinem Material - darunter sehr häufig Sound - haben auf die Arbeit vieler anderer Künstler zumindest ausgestrahlt.

Sound ist für Terry Fox in den letzten Jahren noch wichtiger geworden als früher, wenn er auch immer noch die gleiche Rolle spielt. Terry Fox selbst meint dazu: "Sound hat transformierende Eigenschaften. Besonders im Bezug auf Räume und bestimmte Materalien und Situationen. Sound kann die Eigenschaften, den Charakter eines Raumes verändern. Der Sound kann selbst zu einer Eigenschaft des Raumes werden, gleichwertig den anderen 3 Dimensionen des Raumes." Bei vielen seiner Performances und Installationen spannt Terry Fox mit Colophonium bestrichene Klaviersaiten im Raum, die er dann mit ganz unterschiedlichen Mitteln zum Klingen bringt. Für Terry Fox ist der natürliche akustische Sound viel interessanter als jeder künstliche Klang: "Beim natürlichen Klang entwickelt man ein Gefühl für die Vibrationen, die den Sound erst produzieren. Das fehlt, wenn der Ton über einen Lautsprecher kommt." Fox weiß das aus eigener Arbeit. Wenn er auf einer Klaviersaite spielt oder - wie bei der Documenta - mit Autohupen, dann hört sich das einfach anders an, als der Mitschnitt einer Performance. "Der Mitschnitt ist nichts, als ein seichter Abklatsch." Als Beispiel einer Arbeit von Terry Fox sei die Beschreibung der Performance "Wienerring", die Terry Fox 1979 in der Mordern Art Gallery in Wien machte, näher erläutert. Terry Fox: "Für die Performance "Wienerring" zeichnete ich mit Kreide die Wiener Ringstraße auf den Boden der Modern Art Gallerie. Viele kulturelle und politische Institutionen sind innerhalb des Ringes angesiedelt. 3 davon habe ich in meinen Gallerieplan eingezeichnet: die Börse, die Albertina und die Oper. Sie wurden durch 3 pfeifende Teekessel dargestellt, die auf kleine Gaskocher gesetzt waren. Die Albertina war ein eleganter, kochender Teekessel, die Börse ein schwerer, massiver und die Oper ein großer, runder Topf mit einem großen Ausguß. Über dem gezeichneten Plan spannte ich auf Kopfhöhe ein Dreieck aus Klaviersaiten, die mit Spannschrauben an den Wänden und am Fenster befestigt waren. Die Performance begann mit dem Entzünden der drei Gaskocher. Dann spazierte ich im Gegenuhrzeigersinn der gezeichneten Ringstraße entlang und blies dabei eine hörbare Hundepfeife - und das entgegen einem Gesetz, daß das Musizieren auf Wiener Straßen verbietet. Wenn ein Kessel zu pfeifen anfing, stimmte ich meine Pfeife jeweils auf diesen Ton. Als dann alle Töpfe laut pfiffen, führte ich meinen Spaziergang in der anderen Richtung weiter und spielte auf den mit Colophonium bestrichenen Klaviersaiten, indem ich sie mit meinen Fingern rieb. Die hohlen Wände und die Fenster bildeten dabei einen natürlichen Resonanzkörper. Ich spielte solange, bis der letzte Teekessel keinen Dampf mehr hatte - das dauerte eineinhalb Stunden."

1972 arbeitete Terry Fox zum ersten Mal mit aufgezeichneten Tönen. Und zwar bei der Arbeit "Das Labyrinth" komponiert für das Schnurren von Katzen, die wiederum nur ein kleiner Teil einer sich über Jahre hinziehenden, intensiven Auseinandersetzung mit dem Labyrinth in der Kathedrale von Chartre war.

Terry Fox: "Das Labyrinth in der Kathedrale von Chartre, besteht aus blauen und weißen Steinplatten, die in den steinernen Boden der Kathedrale eingelassen sind. Es ist ein Weg der sich über 34 Kehren, durch 11 konzentrische Kreise zum Zentrum windet. Er mißt 12,87 Meter im Durchmesser. Und ein Druchgang vom Eingang bis ins Zentrum entspricht 552 Schritten. Dieses Labyrinth war ein ideeller Hintergrund zu all meinen Arbeiten zwischen 1972 und 1978." In Skulpturen, Installationen, Zeichnungen und Soundarbeiten drang Terry Fox immer tiefer in das Labyrinth als Bild mittelalterlichen Weltverständnisses ein. Holte es herauf in unsere Zeit, die auf eine ganz andere Weise zwischen Himmel und Hölle balanciert, zwischen denen sich für uns kein so klarer Schnittpunkt mehr finden läßt, wie ein Labyrinth auf dem Boden einer Kathedrale. Das Labyrinth, Weg zum Zentrum aller Dinge und zugleich Fläche von der aus sich das Bild der zum Himmel strebenden Kathedrale zur Hölle hin nach unten spiegelt. Terry Fox über seine Arbeit "Das Labyrinth": "Ich habe einige Male versucht, das Labyrinth in Geräusche umzusetzen. Für das Stück "Das Labyrinth" komponiert für das Schnurren von 11 Katzen, nahm ich von 11 verschiedenen Katzen, je 8 Minuten kontinuierliches Schnurren auf Band auf. Diese Aufnahmen wurden dann gemischt, sodaß sie dem Weg durchs Labyrinth entsprachen, wobei jede Katze einen der 11 konzentrischen Kreise darstellte. 10 Sekunden Schnurren entspricht einem der 552 Schritte und 10 Sekunden sich überlappendes Geschnurre zweier Katzen einer der 34 Kehren. Das Band folgt stereophonisch dem Weg durch das Labyrinth, wobei das Zentrum schließlich durch das gemeinsame Geschnurre aller 11 Katzen dargestellt ist.Das Katzenstück ist ursprünglich nicht für das Radio konzipiert worden. Es eignet sich aber besonders gut für Radio."

Diese Katzen schnurrten im ORF zum ersten Mal im Jahre 1977. Zu einem Stück Radiokunstgeschichte wurde die 1972 entstandene Arbeit "Das Labyrinth" komponiert für das Schnurren von Katzen, des Amerikaners Terry Fox aber schon vorher, als der Sender CPFA in Berkerley sie in voller Länge - das sind 90 Minuten - ausstrahlte. Allerdings erst im 2. Anlauf. Beim ersten Versuch gab es wegen Hörerbeschwerden einen Abbruch nach 45 Minuten.

Terry Fox hält das Medium Radio für einen Bereich, der vom Standpunkt des Künstlers aus, noch nahezu unerforscht ist. Ähnliches gilt für den Bereich Sound und Bildende Kunst, obgleich schon einiges in dieser Richtung getan wurde: "Komponisten haben oft ein ähnliches Problem mit Sound wie mancher Maler mit der akademischen Malerei. Man kann auch übertrainiert sein. Das Aufregende an der Auseinandersetzung Bildender Künstler mit Sound, ist ihre Naivität gegenüber dem, was sie produzieren." Terry Fox versucht bewußt sich etwas von dieser Naivität zu erhalten, "weil man nur so in alle möglichen interessangten Dinge hineinstolpern kann und Methoden zur Sounderzeugung findet, vor denen ein Komponist zurückschrecken würde." Terry Fox hat auch keine Probleme mit Mißtönen, er mag sie sogar: "Komponisten haben es einfach schwerer neue Töne zu entdecken. Sie hängen zu sehr an ihrem großen musikalischen Wissen. Künstler sind da experimenteller, weil ihnen diese Art von Ausbildung fehlt."



1988 Calendar 2